Ich bin da ja hin- und hergerissen. Einerseits halte ich Trinkgeld an sich für eine seltsame Anomalie: der Kellner bekommt's, die Thekenkraft in der Kneipe auch, der McD-Verkäufer wieder nicht, und ob die Küche im Restaurant was davon hat, ist auch ein Mysterium. Aber wenn es so üblich ist, spiele ich das Spiel auch mit, auch wenn es mir lieber wäre, wenn Mitarbeiter ihr Einkommen ausschließlich über ihren Arbeitgeber bezögen und man als Kunde nicht in diese moralische Schlangengrube geworfen würde (die USA sind da ja das krasse Beispiel).
Ich stelle mal aber auch die ketzerische Frage, warum man Trinkgeld denn nicht versteuern sollte, besonders, wenn man ja offenbar in der Gastronomie recht sicher mit einem bestimmten Prozentsatz ausgehen kann. Ich muss mein Einkommen samt großzügigem Kantinenessen und anderer Goodies ja auch versteuern.
Dass es nicht versteuert werden muss liegt daran, dass es eben rechtlich eine Schenkung ist. Genauso wie wenn du einem Bettler Geld gibst (eine "Spende" kann es rechtlich nur sein, wenn der Empfänger entsprechend registriert ist, bspw. als gemeinnütziger Verein, Partei, Kirche o.ä., daher ist das hier nicht der Fall).
Daher muss man es auch genauso behandeln, es ist ne freiwillige Schenkung, und wildfremden Leuten schenke ich kein (Trink-)Geld.
Insbesondere ist Kellner nichtmal ein besonders schwieriger oder wertvoller Beruf (imo sogar eher an der Grenze zu überflüssig, wenn sich der Wirt das einsparen würde und man selbst an der Küche abholen müsste wär das wesentlich sinnvoller), noch sind sie besonders arm oder bedürftig, denn sie kriegen Mindestlohn. Ebenso Taxifahrer, die fahren nur von A nach B und auskennen brauchen sie sich dank Navi auch nicht mehr. Mir ist völlig schleierhaft, wieso gerade diese Gruppen Trinkgeld bekommen sollten.
Ich jedenfalls finde die Arbeit von Kranken- und Altenpflegern, Erziehern, Polizisten (gut, die dürften es nicht annehmen) viel wichtiger. Während bspw. Paketboten nichtmal Mindestlohn bekommen. Übrigens sehe ich auch keinen "sozial ungerechten Lohn" für Kellner, denn das ist ein Helferjob, für den keine Ausbildung nötig ist.
Und wer sozial sein will, der soll doch bitte lieber für Organisationen spenden, die wirklich armen Menschen helfen, nicht Geschenke an Leute verteilen, nur damit die mehr Wohlstand haben.