Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Lufthanseaten,
heute beginnt der Winterflugplan 2020/21. Dass wir unter schwierigsten Bedingungen in diese neue Flugplanperiode starten, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Die Infektionszahlen in der Welt steigen seit einigen Wochen wieder stark an und unsere Heimatmärkte sind davon besonders betroffen. Das führt zu erneut verschärften globalen Reiserestriktionen. Auch die dringenden Appelle der Politik, Reisen wenn möglich ganz zu unterlassen, belasten unsere ohnehin schon ernste Situation enorm.
Unter den Rahmenbedingungen der Pandemie wird der Winter 2020/21 zu einer immensen Herausforderung. Unsere Airlines werden maximal ein Viertel ihrer Vorjahreskapazität anbieten können, einige liegen sogar deutlich darunter. Die Anzahl unserer Gäste auf diesen Flügen wird voraussichtlich bei weniger als einem Fünftel des Vorjahreswertes, und damit noch einmal deutlich unter der angebotenen Kapazität liegen.
Im historischen Vergleich sind wir in etwa auf dem Niveau Mitte der 1970er Jahre: Damals hatte die Deutsche Lufthansa AG rund 80 „Streckenflugzeuge“ im Einsatz – in etwa so viele, wie die Lufthansa Airline im kommenden Winter selbst betreiben wird.
Wir müssen daher unsere bisherigen Anstrengungen, die Kosten weiter herunterzubringen noch einmal verstärken. Denn das Ausbleiben von Einnahmen in Milliardenhöhe kann nur durch geringere Ausgaben kompensiert werden. Unser Unternehmen verliert seit Anbeginn der Pandemie sehr viel Geld - Woche für Woche, Tag für Tag, Stunde für Stunde. Zwar ist es uns gemeinsam gelungen, den Mittelabfluss von eine Million Euro pro Stunde zu Beginn der Pandemie auf inzwischen “nur noch” eine Million alle zwei Stunden deutlich zu senken. An der Dramatik der Situation hat sich gleichwohl nichts geändert.
Daher ist es unumgänglich, den Geschäftsbetrieb im Winter 2020/21 noch weiter herunterzufahren und möglichst viele Bereiche ab Mitte Dezember in einen "Wintermodus" zu versetzen. Wir müssen Ausgaben noch strikter vermeiden und Kosten noch weiter senken. Einen anderen Weg gibt es für uns leider nicht.
Unsere Flugbetriebe werden mit den geringstmöglichen operativen und administrativen Ressourcen das Winterprogramm von maximal 25 Prozent produzieren. Dazu gehört der Einsatz mit Minimum Crew Complement und die vorrangige Nutzung unserer modernsten und sparsamsten Flugzeuge. In diesem Zusammenhang wird aktuell geprüft vier weitere, in MUC nicht eingesetzte A350 zeitweise nach FRA zu verlegen.
Die SWISS prüft, das gesamte Kont-Programm mit A220 und A320neo zu fliegen und im Gegenzug die A320ceo Flotte vorübergehend außer Dienst zu stellen. Bei Austrian Airlines wurde die B777 bereits aus dem Programm genommen. Für die Kurzstrecke wird geprüft, vorwiegend Embraer einzusetzen und dafür nahezu die gesamte A320 Flotte zu grounden.
Unseren ursprünglichen Plan, zum Jahresende wieder auf 50 Prozent der angebotenen Kapazität zu kommen, können wir nicht mehr einhalten. Daher müssen wir 125 Flugzeuge erneut stillgelegen, die wir für den Einsatz im Winterflugplan vorgesehen hatten. Eurowings wird ihre eingesetzte Flotte im Wintermodus auf unter 30 Flugzeuge absenken.
Aus inaktiven Flugzeugen aller Flotten werden wo immer möglich Ersatzeile genutzt (Triebwerke mit Restlaufzeiten, APU, Landing Gear, IFE-Monitore, etc.). Heavy-Maintenance Ereignisse (D-Checks) für die Verlängerung des B744 Einsatzes werden abgesagt.
In administrativen Bereichen werden – ähnlich wie in der Lockdown Phase im Frühjahr – nur noch betriebsnotwendige, rechtlich vorgeschriebene und im Zusammenhang mit der notwendigen Restrukturierung stehende Aktivitäten stattfinden. Dazu gehören beispielsweise die administrative Unterstützung der Flugbetriebe, die kommerzielle Netz-Steuerung, sicherheitsrelevante Prozesse oder die Arbeiten an den Jahresabschlüssen für das Geschäftsjahr 2020. Für alle anderen Prozesse wird aufgrund des Arbeitswegfalls die Kurzarbeit von Mitte Dezember bis Ende Februar auf das maximale Niveau erhöht.
Administrative Flächen werden im Wintermodus auf ein Minimum von durchschnittlich 30 Prozent reduziert. Das LAC wird bis auf wenige Arbeitsplätze geschlossen, Arbeitsflächen im Gebäude "Squaire" werden abgemietet. Kantinen in ausschließlich von administrativen Mitarbeitern genutzten Bereichen werden geschlossen. Eurowings gibt ihre Büroflächen in DUS vollständig auf.
Trotz „Wintermodus“ werden unsere Restrukturierungsprogramme mit der nötigen Konsequenz und Geschwindigkeit weiter fortgeführt. An „ReNew“ und an den jeweiligen Programmen der Group Airlines und Geschäftsfelder wird auch über den Winter mit voller Kraft weitergearbeitet. Aus diesen Programmen ergeben sich weitere Maßnahmen, um den Liquiditätsabfluss zu reduzieren und die Kosten nachhaltig zu senken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einem Sommer, der uns allen Anlass zur Hoffnung gegeben hat, befinden wir uns jetzt wieder in einer Situation, die in ihren Auswirkungen einem Lockdown gleichkommt. Für das dritte Quartal mussten wir einen Verlust von 1,3 Milliarden Euro berichten, obwohl mit Juli und August noch zwei Monate mit Aufwärtstrend im Berichtszeitraum lagen. Nach den ersten neun Monaten steht bereits ein Verlust von 4,1 Milliarden Euro zu Buche. Dieser Fehlbetrag wird sich im vierten Quartal noch deutlich erhöhen.
Eine verlässliche Aussage über die künftige Entwicklung der Airline-Branche ist schwieriger denn je. Erstens kann momentan niemand voraussagen, wie lange Reisewarnungen, Einreiseverbote und Lockdowns einzelner Länder andauern werden, bis es überhaupt wieder zu einer Erholung kommt. Zweitens ist nicht absehbar, wie steil oder flach sich eine Erholungskurve entwickeln wird. Und drittens wird es auch nachhaltige Effekte im Nachgang dieser Krise geben – sei es durch verstärkte Nutzungvon Videokonferenzen, Kaufkrafteinbußen bis hin zu einer globalen Rezession oder auch verändertes Reiseverhalten vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsdiskussion. Niemand kann diese Auswirkungen verlässlich prognostizieren. Gleichwohl sind wir fest entschlossen, mindestens 100.000 der heute 130.000 Arbeitsplätze der Lufthansa Group zu erhalten. Auch, wenn wir aktuell nicht annähernd genug Beschäftigung für eine Belegschaft dieser Größe haben.
Eine Pandemie geht nicht in wenigen Monaten vorüber. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Folgen unser Geschäft noch über Jahre belasten werden. In der Zeit danach, im sogenannten „New Normal“, werden wir eine kleinere, aber auch eine effizientere Lufthansa Gruppe sein. Der Weg dorthin wird lang und beschwerlich.
Gleichwohl sind unverändert überzeugt, dass wir diese Krise besser überstehen werden, als viele unserer Wettbewerber. Auch dank Ihres Engagements in dieser beispiellosen Situation. Dafür danken wir Ihnen als Vorstand ausdrücklich. Gerade jetzt, im Winter, werden wir alle sehr viel Kraft und Durchhaltevermögen brauchen. Dafür ist es in allererster Linie wichtig, dass Sie und Ihre Familien gesund bleiben. Das wünschen wir Ihnen allen und danken Ihnen für Ihre Solidarität.
Herzliche Grüße
Carsten Spohr, Christina Foerster, Harry Hohmeister, Detlef Kayser, Michael Niggemann