Was mich allgemein an der Diskussion zu und um N26 (und nicht nur hier) stört, ist dass es die "hardliner" Gegner und die "Fanboys/-girls" gibt. Zwischen beiden Gruppen scheint es kaum eine sinnvolle Diskussionsgrundlage geben zu können. Der Mittelweg fehlt mir bei der Betrachtung komplett - und auch die Presseberichterstattung geht nur in die eine oder andere Richtung. Nüchterne Fakten gibt es kaum.
Ich sehe es so: Einige Punkte an N26 waren und sind interessant. 2015/2016 waren einige Funktionen tatsächlich neu und revolutionär, wenn man diesen Begriff verwenden möchte. Das hat die Direkt- und Filialbanken in Zugzwang gebracht. Nun, 2019, muss genauso sich N26 erstens am Marktumfeld messen lassen und zweitens an den eigenen Ankündigungen und Versprechungen: Bei beiden Punkten gibt die Bank aber leider ein sehr schlechtes Bild ab.
Weder ist N26 am Markt der FinTechs innovativ (es gibt selbst Direktbanken wie die ING oder DKB, die mehr Funktionalität um das Konto herum planen und implementieren als N26), noch liefert man bei Funktionen und Service das, was man schon vor Monaten und Wochen versprochen hat. Auch der USA Start wurde für letztes Jahr, dann Ende 2018, dann Anfang 2019 angekündigt und fand erst vor kurzem statt. Das sagt schon genug aus, über den Weitblick der Chefetagen.
Funktionen: Weder gibt es das versprochene Gemeinschaftskonto, eine Wechselgeld aufrunden Funktion für die Spaces, eine Investitionsmöglichkeit oder Depot, die Clark Anbindung lag lange brach, die TransferWise Anbindung funktioniert gar nicht oder schlecht - dort lautet der Lösungsvorschlag sogar: Bitte direkt auf TransferWise ausweichen. Die Analysetools haben bugs (Kategorien und Änderungen bleiben selten erhalten) und die Transaktionsübersicht gibt wenig Informationen preis. Da bietet mir sogar die Filialbank noch wenigstens den Ort der Transaktion. Bei Apple Pay konnten die Metal Abonnenten jahrelang nur die Black Karte in der Wallet sehen, weil N26 es nicht fertiggebracht hat, die entsprechenden BINs zu den Grafiken zuzuordnen. Sorry, aber selbst eine große Deutsche Bank hatte Fehler (DB Card Plus wurde fälschlicherweise als Business Debitkarte erkannt) innerhalb von wenigen Wochen nach dem Apple Pay Start behoben.
Die Telefonhotline hat man bei N26 abgeschaltet, der E-Mail Kontakt ist langsam und es scheint wohl einfach keinen second-level support zu geben - was die Probleme bei N26 erklären würde. Nein, das ist kein FinTech spezifisches Problem - es ist aber ein N26 spezifisches Problem. Nicht umsonst klopft die BaFin dort öfters an.
In den Sozialen Netzwerken blockiert N26 und der Support gerne kritische Nutzer - ist so natürlich einfacher, was dann zu weiterem Unmut führt.
Was müsste also N26 aus meiner Sicht tun und was könnte es von anderen Banken und FinTechs lernen?
Ich denke, dass hier nur die Flucht nach vorn hilft - aber schnell! Transparenz und mit offenen Karten spielen. Ein Blog, ggf. ein Forum um den Kundenaustausch zu forcieren, eine Möglichkeit mit Mitarbeitern auch am Telefon zu sprechen und die weitere Entwicklung mit den Kunden abzusprechen und auf deren Bedürfnisse einzugehen. Vielleicht mal einen Zeitstrahl veröffentlichen, live community events in der Zentrale, auf YouTube zeigen woran und wie man arbeitet.
Monzo ist auf diesem Gebiet übrigens vorbildlich. Die Bank hat sich von einem kleinen Prepaidkarten FinTech zu den Spitzenrängen bei Service und Kundenzufriedenheit hochgearbeitet. Über 2mio Kunden - nur in Großbritannien! - vertrauen dieser Bank und schätzen den "community spirit". Ich selbst war schon mehrfach dort in der Zentrale und habe mit dem CEO, Tom Blomfeld schon mehrfach persönlich sprechen können. "Seine" Bank so kennenzulernen ist schon einmalig und ich hätte da z.B. keine Bedenken, mein Monzo Konto zum Hauptkonto zu machen.
N26 hat mir rund 3,5mio Kunden, aber über 18/19 Märkte verteilt, sich wohl vielleicht die Butter zu dünn aufs Brot geschmiert. Ein bisschen Revolut, mit dem Anspruch eines Monzo und der Innovationskraft eines bunq geht nicht. Wenn ein FinTech keine Filialen hat und sich nicht primär über die Konditionen definieren möchte wie eine Direktbank, dann muss sie anders einzigartig sein und den Kunden etwas bieten.
Ich hätte mir für N26 gewünscht, dass es v.a. Banking allgemein anders machen möchte: Guten Service, vertrauenswürdiges Verhalten der Mitarbeiter, anständige Konditionen und nette Funktionen, die das Leben mir das leben leichter machen. Dazu braucht es aber verdammt viel Arbeit und weniger Marketingsprech von den Chefetagen.