Das Tippen ist einfach eine Krankheit. Was ich alles schon erlebt habe in 20 Jahren in Amerika. Das Essengehen mit den Kollegen, die sich dann gegenseitig überbieten mit Großzügigkeit, bis man bei 25-30% Tip ist, und dann eine merkt, dass sie eigentlich zuwenig gegeben hat, und nochmal einen Schein drauflegt. Das überteuerte Deli, wo man Bresaola für $56 pro Pfund kaufen kann und dann praktischerweise beim Zahlen am Terminal 15-20-25-write in Prozent Trinkgeld geben kann. Uber-Fahrer, die ihr Auto mit "we appreciate cash tips" Schildern zugekleistert haben. Usw usf. Aber am interessantesten ist es immer, mit Amis ins (nicht-Tippende) Ausland zu reisen, und zu sehen, wie es ihnen in der Seele wehtut, nicht tippen zu können. Sag doch dem Fahrer (in Vietnam), er soll am Geldautomaten anhalten, damit wir ihn tippen können. Du, der spuckt nur 500.000 Dong Noten aus, $20. Ach, dann halten wir doch auch noch an einem Convenience store, dann kaufen wir ein Wasser und lassen das wechseln. Und ganz schlimm wird's dann im Hotel, wenn auf der Room Service Rechnung die Tip Linie fehlt.
Gleichwohl hat mich auch immer überrascht, wo NICHT getippt wird. Als ich Ende der 90er nach Amerika gezogen bin (wo der Irrsinn ja noch nicht ganz so krass war wie heute), hielt man mich für verrückt, wenn ich den Tankwart tippen wollte (in Oregon durfte man nicht selbst tanken), und auch Dinge, die mir in Deutschland geläufig waren -- 20 Mark Weihnachtsgeschenk für den Zeitungszusteller, Postboten, Müllmann -- wurden nicht gemacht.