4. Tag / 5. Winterreise
Zu unserer Überraschung wurden wir um 04:45 nicht vom Muezzin aufgeweckt, diesmal war es erst um 06:30 der krähende Hahn des Nachbarhauses. Ein weiteres Problem unseres Zimmers war, dass unsere Fenster (inkl. Badezimmer) direkt zum Innenhof des Riads gingen. So wie wir selbst bei geschlossenen Fenstern alle Geräusche aus dem Innenhof hörten, hörten alle im Innenhof unsere Geräusche. Ganz toll!
Egal, wir waren nun eh so früh wach, dass sich sowieso noch niemand im Innenhof aufhielt.
Geduscht, Taschen gepackt und um 8 als die Ersten im Innenhof zum Frühstück erschienen. Dieses gestaltete sich wieder wie am Vortag aus Orangensaft, marokkanische Crêpes, ein Ei, Brot, Butter, Frischkäse und Marmelade, dazu Kaffee mit Milch.
Na das kann ja lustig werden wenn das jeden Tag so weitergeht! Wenigstens gab es diesmal Salz und Pfeffer!
Nach dem Frühstück die Taschen zum Auto geschleppt und um kurz vor 9 bereits auf der Straße gewesen, ein letzter Blick zurück auf Chefchaouen.
Wir wählten diesmal die Bundesstraße N13 für die 200 Kilometer bis Fes, laut Google Maps 3 ½ Stunden Fahrzeit.
Anfangs ging es noch durch das Rif Gebirge, die Straße zwar gut ausgebaut – aber eben sehr kurvig: Zudem teilte man sie sich auch mit anderen Verkehrsteilnehmern.
Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h war nicht durchgängig machbar, obwohl sich V. größte Mühe gab.
Langsam kamen wir hinunter ins Flachland, die Landschaft änderte sich merklich, statt Berge nun mehr sanfte Hügel mit Weizenfeldern.
An der Ortseinfahrt von Ouzzane erwischte es V., statt der erlaubten 60 km/h wurde sie mit 67 km/h erwischt. Toleranzabzug? Gibt es nicht! Dafür waren die Polizisten sehr freundlich, nahmen uns 150 Dirham (US$ 15) ab, übergaben uns eine Quittung und posierten sogar fürs Foto.
Nun ging es weiter, mit genau der erlaubten Geschwindigkeit. Zum Glück, denn keine 20 Kilometer später war schon die nächste Kontrolle.
Überhaupt, Polizeikontrollen gab es zuhauf, meist wurden wir angehalten, Dokumentenkontrolle – wir nahmen an, dass es daran lag, dass man Mietwagen am Nummernschild schon von weitem erkennt. Nachdem wir aber das Prozedere schon kannten, reichten wir immer sofort die Fahrzeugpapiere, Führerschein und Pass nach draußen. Die Polizisten überprüften meist nur noch den Einreisestempel, gaben die Dokumente zurück und wir durften weiter. Obwohl alle sehr freundlich waren nervte es ab dem 5. Mal dann doch.
Ca. 50 Kilometer vor Fes empfahl Google Maps das Abbiegen von der N13, um über eine Nebenstraße schneller das Ziel zu erreichen.
Wir nahmen den Vorschlag an, kamen wieder auf eine einspurige Straße mit unbefestigten Seitenstreifen, um bei Gegenverkehr ausweichen zu können.
Das Erscheinungsbild Marokkos änderte sich hier deutlich, zwar wieder sanfte Hügel und meist Weizenfelder,
aber alles wesentlich ärmer als noch 100 Kilometer nördlich. Die Dörfer bestanden nun statt aus weißgetünchten Häusern aus niedrigen Lehmhütten, bevorzugtes Transportmittel war der vollbepackte Esel.
Da die Straße auch für den Viehtrieb benutzt wurde, musste V. einige Male anhalten.
Endlich erreichten wir Fes, fuhren durch die ärmliche Vorstadt, wo gerade auf der Straße Markt abgehalten wurde, ins Zentrum. Hier konnten wir uns auch das erste Mal ein Bild vom marokkanischen Verkehr machen, alles viel chaotischer als in Tanger, vor allem im Kreisverkehr.
Ohne Kratzer und Beulen erreichten wir den vom Riad beschriebenen Parkplatz, stellten das Auto ab und zogen unsere Taschen zur Unterkunft, dem ‚Riad Ananta’.
Obwohl es noch weit vor 13 Uhr war bekamen wir schon unser Zimmer zugewiesen, allerdings genau an der Hotelrezeption, mit Fenstern von Zimmer und Bad/WC ausschließlich zur Lobby.
Zwar ist das Zimmer sehr schön,
aber die Lage nervte!
(links die Türe zu unserem Zimmer)
Wir stellten kurz die Taschen ins Zimmer, gingen hinauf auf die Dachterrasse,
wo uns der obligatorische Willkommenstee mit Plätzchen serviert wurde.
Eine Karte der Stadt geben lassen und schon ging es hinaus in die Gassen der Medina.
Durch das ‚Bab Boujloud’
hinein in die Altstadt, bzw. den Bazar –
denn die gesamte Medina ist ein Markt, auf dem derselbe Chinaschrott angeboten wird,
den wir auch schon in Tanger, Chefchaouen, Odessa, Bangkok etc. gesehen hatten. Ursprüngliches? Gibt es nicht mehr. Selbst die marokkanischen Souvenirs kommen zum größten Teil aus China (z.B. Teekannen, Teller usw.).
Von der Altstadt sieht man kaum etwas, alles ist voll mit diesem Schrott – das nervte ohne Ende! Zudem ist Fes eine reine Touristenstadt, alles auf den Massentourismus abgestimmt.
Völlig desillusioniert kehrten wir in ein Restaurant in der Innenstadt ein,
in welchem nur Araber saßen (meist auch Touristen, aber eben wenigstens arabische – da konnte das Essen nicht so schlimm sein), obwohl draußen schon der Artikel über das Restaurant aus dem ReierAir-Magazin hing.
Der Inhaber führte uns in die Küche, wo wir von den verschiedenen Tajine probieren durften.
Wir nahmen Platz, wollten einfach nur noch abschalten und etwas essen, erwarteten nicht mehr besonders viel. Und so wurden wir überrascht: das Essen war ordentlich, sogar gesalzen! Es geschehen noch Zeichen und Wunder.
Nach dem Essen wieder hinaus in den furchtbaren Touristentrubel. Alle 10 Meter wurde man angesprochen, verfolgt, genervt. Ich sprach nur noch Russisch – eine Sprache, die die Schlepper zum Glück noch nicht verstehen (was sie nicht abhielt uns weiterzuverfolgen). Wir rannten schon fast, wollten nur diesen aufdringlichen Menschen entkommen.
Irgendwann erreichten wir eine weitere Sehenswürdigkeit (Zaouia Sidi Ahmed Tijani),
bogen nach rechts ab und kamen zum ‚Al Attarine Madrasa’, einer historischen Islamschule. Dort zahlten wir US$ 2/Person Eintritt, durften das Gebäude von Innen besichtigen.
Weiter zur Gerberei, der ‚Tannerie Chouwara’.
Hier erklommen wir eine Dachterrasse, um uns von oben einen Überblick zu verschaffen. Freier Eintritt (ja, klar!), kein Kaufzwang.
Wenigstens war es interessant, die einzelnen Schritte des Gerbereiprozesses wurden sehr gut erklärt.
Ich übergab dem freundlichen Guide ein paar Dirhams und wir zogen weiter, vorbei an Kesselflickern und Süßigkeitenständen.
(erinnert stark an indisches ‚Jelebi’)
So langsam hatten wir die Schnauze gestrichen voll von der Medina, wir waren nur noch genervt, wurden schon aggressiv. Fragte man nach dem Weg (mobiles Internet funktionierte in den engen Gassen nicht) lief sofort jemand vor einem her – obwohl man x-Mal ‚Nein, Danke!’ sagte. Das Ganze gipfelte dann darin, dass man für den ungewollten Service ein Trinkgeld verlangte. Nicht etwas 10 oder 20 Dirham, nein, gleich 100 (also US$ 10). Bevor ich einen Marokkaner verprügeln konnte (und wahrscheinlich im Gefängnis gelandet wäre), zog mich V. aus der Altstadt, wir nahmen ein Taxi nach ‚Fes-Jdid’, dem mittelalterlichen Teil der Stadt mit Königspalast und jüdischem Viertel.
Dort zog es uns erstmal in ein Café, zum ersten ordentlichen Kaffee in Marokko.
Am Königspalast vorbei,
Durch das ‚Bab as Semmarine’ in die Hauptstraße – natürlich wieder ein Bazar mit unzähligem Chinaschrott. Wenigstens konnten wir dort ungehindert durchschlendern, weder sprachen und Schlepper an, noch wurde uns Haschisch angeboten.
An der Befestigungsanlage rechts durch den Park Sibil und das Stadttor ‚Bab Chems’ auf den ‚Place Boujloud’.
Wir waren fertig, genervt – und durstig. Also fragten wir in einem Café nach Coke Zero und bekamen prompt eine warme, normale Cola hingestellt. Wir wiesen freundlich darauf hin, dass wir gerne eine kalte Coke Zero hätten und wurden gleich pampig angemacht. Also verließen wir das Lokal ohne zu bezahlen (wir hatten ja nichts getrunken), erhielten ein paar böse Schimpftriaden hinterhergerufen.
Von ‚Fes’ hatten wir genug, entschlossen uns zum Riad in unser Kerkerzimmer zurückzukehren.
Die Rezeptionistin bestätigte uns, dass Fes in den letzten 3 bis 4 Jahren zur absoluten Touristenfalle verkommen wäre, die Schlepper auch vor lokalen Touristen keinen Halt machen würden. Die Frage nach einer lokalen, handgearbeiteten Teekanne beantwortete sie mit ‚vielleicht in Marrakesch, sicher nicht in Fes’. Soviel dazu.
Nachdem wir uns etwas erholt hatten und man uns wenigstens ein kaltes Wasser servieren konnte, wollten wir uns zum Abendessen aufmachen, kein Tajine!
Die Spezialität Fes ist ‚Pastilla’,
https://en.wikipedia.org/wiki/Pastilla
ein ‚Fleischkuchen’ (Taubenfleisch), mit Puderzucker bestreut. Die nette Rezeptionistin beantworte meine Frage nach einem Restaurant für eine gute Pastilla mit ‚at home’. Sie machte mir klar, dass wir das in Fes vergessen könnten, die Restaurants wären auf Touristen eingeschossen, eine gute Pastilla mit Taubenfleisch nicht erhältlich.
Nachdem wir wirklich keine Lust auf Auberginen, Zucchini und vor allem Tajine hatten, TA auch keinen Ausweg kannte, entschlossen wir uns die Touristenhölle der Medina von Fes zu verlassen, setzten uns ins Auto und fuhren zur großen Shoppingmall,
wo wir in einem amerikanischen Restaurant einkehrten.
Selten waren wir so froh über Hamburger und eiskalte Coke Light!
Nach dem ganzen marokkanischen Essen war dies ein absoluter Hochgenuss!
Noch kurz ein Eis bei McDonalds und uns mit Snacks für die nächsten Tag im Supermarkt eingedeckt. Interessant, in Marokko gibt es per Gesetzt seit Juli 2016 keine Plastiktüten mehr, sehr beispielhaft.
Überhaupt, die Neustadt von Fes ist so ganz anders, die Menschen freundlich und aufgeschlossen, Kopftücher sieht man seltener als in der Altstadt. Die Menschen sind modern gekleidet (vor allem mit Philipp Plein-Kopien), viele Frauen haben die Haare blond gefärbt, sogar Minikleider haben wir gesehen.
Nachdem wir unsere Laune wieder etwas aufgebessert hatten fuhren wir wieder zurück in die grausige Altstadt, parkten das Auto und begaben uns wieder in unseren Kerker, wo wir den Abend ruhig (man hört draußen ja alles) ausklingen ließen.
Morgen geht es weiter, weg aus Fes, HURRA!!!