An dem Verein Nuklearia ist auch erstmal nichts falsch, nur ist deren Leitfaden, Umweltschutz mit Kernenergie, jetzt wird man hier kritische Beiträge, zum Thema Umweltverschmutzung durch Kernenergie wenig finden. Auch macht man offensiv Lobby-Arbeit für Kernenergie, ist zudem auf diversen Veranstaltungen mit Gastbeiträgen (Tagung der KTG-Fachgruppe vom 29. bis 31.10.2016, Strahlenschutz Tagung vom 17.10 bis 19.102014 usw...) Hier von Objektivität sprechen, fällt mir auch recht schwer. Aber ich werfe es Ihnen nicht vor, den Nuklearia macht ja auch keinen Hehl aus der Überzeugungsarbeit für Atomstrom.
Dies zeigt ja auch der Vergleich der beiden zitierten Artikel.
Die Vollkosten laut Herrn Blumm für ein neues AKW liegen inkl. Entsorgung bei 4 Euro Cent je kWh. Laut dem World Nuclear Industry Status Report liegt allerdings 1kWh bei 15,5 USD Cent. Die Gestehungskosten (ohne Systemische und Entsorgungskosten) für die EE sind bei beiden Artikeln annähernd gleich. (Solar etwas unter 5 Cent und auch Wind etwas unter 5 Cent)
Das macht einen schon ein wenig stutzig. Hier werden zudem die Kosten für die Energietransformation des Netzes nur auf die Energieformen Wind und PV umgelegt. Und ja bei Umstellung auf nicht immer 100% anliegender Produktion muss man eben die Infrastruktur des Netztes und vor allem der hoffentlich zukünftig massiv ausgebauten Speicher berücksichtigen. Auch ist der Ausstieg aus der CO2 lastigen Stromerzeugung unumgänglich und so würden die Kosten, welche aber nur als Systemkosten bei Wind und PV aufgeführt werden, wie z.b. Überproduktion, Vollaststunden-Reduktion, Kapazitätsanpassung und Flexibilität auf ein Netz in einem gewissen Umfang auch so auf uns zukommen. So kann man halt sagen, die 4 Euro Cent von Herrn Blumm scheinen eine vorsichtige Schätzung, da eben die Entsorgung nicht kalkulierbar ist und die 15,5 USD Cent des World Nuclear Industry Status Report kann auch eine zu teure Schätzung sein.
Zu den 35 Jahren, es heißt in meiner Quelle nicht, das AKW´s nach 35 Jahren abgeschaltet werden müssen, sondern dass das durchschnittliche Alter aller AKW´s in Frankreich eben diese 35 Jahre beträgt. Hier sind AKW´s dabei welche seit 1972 begonnen worden zu bauen (deren Technologie noch aus den 60er Jahren stammt), diese sind für eine 60 jährige Laufzeit ursprünglich ausgelegt, können aber prinzipiell länger betrieben werden, müssen allerdings ab einer gewissen Laufzeit verschiedene Sicherheitstest bestehen. Nur nächstes Jahr werden eben die ersten AKW´s 50 Jahre alt. Komisch ist auch, dass das neuste AKW in Frankreich, welches aktuell am Netz ist Baubeginn 1991 hatte. Es sind alles Druckwasserreaktoren.
Von den 56 aktiven AKW´s fielen in 2021 vor allem in den letzten Wochen/Monaten 30% aus, diese wurden aufgrund von Störungen und Wartungen vom Netz genommen. Die Infrastruktur der AKW´s in FR ist einfach überaltert, nur 11 der aktuell laufenden AKW´s sind nach Tschernobyl gebaut worden.
Erst Anfang 21 hat die EDF bei der ASN (
Autorité de sûreté nucléaire) die Verlängerung von 32 AKW´s von 40 Jahre auf 50 Jahre beantragt, muss sie Turnusmäßig aller 10 Jahre machen. Die Behörde hat dies unter Auflagen genehmigt, jetzt streitet sich die EDF mit dem Staat (obwohl die EDF zu 80% staatlich ist) wer für die Kosten aufkommen muss, da wohl die EDF der Auffassung ist, das diese Sanierung nicht wirtschaftlich wäre. Die eigene Behörde ASN wiederum stellte die erheblichen Mängel fest und besteht auf die Sanierung zur Verhinderung von Nuklearunfälle. Auch klagt die Schweiz z.b. gegen die Verlängerung der AKW´s solange die Sanierungen nicht abgeschlossen sind.
Ob Flamanville Ende 2022 ans Netz geht, steht ja auch noch nicht fest.
Auch hier hat die ASN bei den Anlauftests 2020 Mängel festgestellt und die Abstellung dieser angeordnet. Jetzt wiederum streitet sich die EDF mit der AREVA, welche die fehlerhaften Teile geliefert hat. Unteranderem wurden Mängel am eingebauten Reaktordruckbehälter mit fehlerhaften Schweissnähten festgestellt. So muss Flamanville in 2022, nach Abstellung der Mängel, die Anlauftests erneut absolvieren, man kann allerdings davon ausgehen, das sie es diesmal bestehen werden.
Dein Beispiel mit den Entwicklungskosten, kann man auch wunderbar bei den EE sehen, so werden jedes Jahr (außer 2021 aufgrund des Materialmangels) dies Baukosten günstiger. Man kann aber davon ausgehen, das die Entlagerungskosten allein schon Inflationsbedingt immer teurer werden. Die Recycling Quote bei EE (inkl. WKA und PV) liegt bei über 90% und zudem bleibt kein Stoff mit einer Halbwertszeit von mehreren Jahrzehnten übrig. Von einem sauberen Strom in FR kann man reden, wenn hier eben keine Belastungen aufgrund von Strahlungsabfall für die Umwelt verbleiben. Ich glaube Klimaschutz und Umweltschutz bezieht sich nicht nur auf CO2 Einsparung, obwohl das natürlich aktuell den größten Teil ausmacht. Was haben wir davon in 2050 irgendwann CO2 neutral zu sein, dafür aber auf einem Berg von Plutonium/Uran/usw. sitzen. Ich bin der Auffassung, lieber werden wir zum Stromverzicht gezwungen, als das wir unbegrenzt Strom produzieren ohne Rücksicht auf die Folgen.
Man kann schon zu dem Entschluss kommen (wenn man sich in meiner Bubble bewegt), das zum Endlagerungsproblem der Kernenergie, eben auch das Wirtschaftlichkeitsproblem kommt. Natürlich kommen die gestiegenen Kosten der AKW´s auch durch die gestiegenen Auflagen zustande, allerdings sollte es keine Option sein an der Sicherheit zu sparen.
Es warten definitiv enorme Herausforderung auf das Land, welches wirklich 100% von EE leben will (mal jetzt Norwegen ausgenommen), der einzig limitierende Faktor dafür wäre das liebe Geld. Und hier sollte man halt eine Gewissensabwägung versuchen zu treffen. Jeder der von Kohle/Gas weg will, muss eine Alternative aufbauen oder ausbauen. Wie bereits erwähnt, könnte man auch in Erwägung ziehen, die letzten 6 AKW´s in DE weiterlaufen zu lassen und dafür ca. 10% an Kohle sofort dicht machen, aber leider werden wir dies mit der letzten und der aktuellen Regierung nicht hinbekommen. Hier aber noch einmal dann die Diskussion aufmachen und neue AKW´s zu bauen und dort Geld zu versenken, das sehe ich einfach nicht als Lösung. Auch Frankreich versucht ja nicht ohne Grund bis 2035 unter 50% an KK zu kommen, das schon alleine um für die Bevölkerung eine Preisstabilität hinzubekommen.
Wir beide sind uns glaube ich in unserer eigentlichen Einstellung gar nicht so uneins, nur Gewichten wir eben den Lösungsansatz anders, das ist ja auch okay und davon lebt eine Diskussion. Wir sollten aber versuchen hier nicht ein "persönliches Streitgespräch" draus zu machen und immer wieder neue Quellen zitieren, die eben den persönlichen Standpunkt untermauern. Ich denke der Grundtenor unserer beiden Auffassungen ist genügend erläutert worden, oder?