Diskussionen zu Kernenergie (aus "Elektromobilität")

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ThoPBe

Erfahrenes Mitglied
16.09.2018
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Der Artikel beweist schon ganz am Anfang, dass der Herr keine Ahnung hat. Er sagt es sprechen 3 Gründe gegen AKW:
1) Streckbetrieb nötig und daher keinen zusätzlichen Strom. -> Das ist nachweislich komplett falsch und wurde inzwischen von genug Leuten in den Medien erklärt wie Streckbetrieb funktioniert, sodass man erwarten kann, dass Herr Professor sich hätte informieren können.
2) AKW unflexibel, können nur Grundlast. -> Ich erinnere an den Post von @costaverde. Auch hier wurde es oft genug in den verschiedenen Formaten richtig gestellt, dass deutsche KKWs für Lastfolgebetrieb ausgelegt wurden. Herr Professor war auch hier zu faul oder zu dumm sich richtig zu informieren.
3) AKWs unzuverlässig. -> Auch hier Müll... der CF der Französischen AKWs ist immer noch deutlichst höher als deutsche EE. 12 von 56 Kraftwerke haben Spannungsrisse, welche bis Winter grösstenteils behoben sind. Die anderen nicht laufenden Kraftwerke sind in der ordentlichen Wartung. Teilweise ist Wartung wegen Covid angestaut, aber das ist in Frankreich kein alleiniges AKW Problem. Der Leistungsverlust wegen Drosselung ist deutlich unter 5%. Ich habe etwas von ca. 2% im Kopf, bin jetzt aber zu faul zum suchen.

Und solch ein Qualitätsbeitrag soll nun deine Referenz sein? Das kannst du ehrlicherweise besser!
Wohl eher gehen die Argumente aus, wenn solche Artikel "Fakten" belegen sollen....:)
 
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19.11.2010
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Ihr seit schon 2 lustige Mitinsassen.

Zum Thema Streckbetrieb. Hier nochmal die Erläuterung. Kann man sich nun streiten, ob es einen Vorteil für die aktuelle Situation bringt, das ist ja auch das was gerade bezweifelt wird, da man bereits bei 100% AKW davon ausgeht, das der Nutzen eines Weiterbetriebs die Gas-Ressourcen um unter 0,2-0,7% entlasten würde. Dafür kauft man sich dann halt andere Probleme einer AKW sehr kurzfristigen Verlängerung ein.

Zum Thema Lastfolgebetrieb oder eben Spitzenlastbetrieb. Hier hat man in Deutschland in Unterweser, Neckarwestheim1 und Philippsburg 1 versucht 2009 Infos zu sammeln. Hier sollten die Auswirkungen und vor allem die sogenannte Rampengeschwindigkeit ermittelt werden, in wieweit AKW´s eben für ein zukünftiges flexibles Stromnetz geeignet sind. Die Rampengeschwindigkeit für eine Änderung von 60% auf 100% beträgt in deutschen AKW´s der Bauart Konvoi SWR im Total 35 Minuten (und damit unzureichend schnell um auf Schwankungen zu reagieren!). Hinzu kommt, das man die sicherheitstechnischen Auswirkungen dieses Lastfolgebetriebes untersucht hat und feststellen müsste, das auf die wichtigsten Bauteile enorme Belastungen wirken und damit die geplante Laufzeit eines AKW erheblich gefährdet. Des Weiteren hat man sich die wirtschaftlichen Folgen eine Lastfolgebetriebes angeschaut und auch feststellen müssen, das die Kosten steigen bei eben wenig herausgebrachter Leistung. (Sollte ja jedem eigentlich klar sein) Das alles ist der Grund, warum man die AKW in Deutschland nicht im Lastfolgebetrieb betreibt und warum man zu dem Fazit kommt, das aktuelle AKW´s nicht für ein flexibles Stromnetz geeignet sind. (übrigens würden die Wartungskosten in einem Lastfolgebetrieb erheblich ansteigen und dies führt natürlich unweigerlich zu steigenden Fixkosten eines AKW´s bei geringere Asfbringung, macht also überhaupt keinen Sinn)

Bildschirmfoto 2022-08-17 um 08.07.46.png
Aktuell ist die CF Quote in Frankreich schlechter als 2:1. Die Gründe warum hat ja chrigue81 erwähnt (Wassermangel, Sicherheitsrelevante Bedenken und Wartungsprobleme) Aktuell Arbeit Frankreich daran, die Quote zu verbessern, aber selbst in den letzten Jahren war die CF Quote nie bei 1:1 sondern eher bei 1,27:1. (siehe frühere Beiträge) Und auch diesen Winter wird man die Quote von 1,27:1 nie erreichen.
Aktuelle Baureihen der WKA zum Beispiel schaffen, wie weiter oben erläutert, eine CF Quote 2:1 (eigentlich besser, aber auch gut). Um nun die Infrastruktur vorhalten zu können, solltest du also bei der Bruttoleistung im AKW Bereich auch den Faktor 1,27 berücksichtigen, so wie du zeitweise den Faktor 4 (aus vielleicht 2000) wie bei WKA berücksichtigen wolltest. Dann kommt man eben zum Schluss, das die Baukosten je MW/a im KK Bereich nochmal steigen im Vergleich zu den EE.
Jetzt sollte man sich natürlich zu dieser CF Quote auch einmal die Kostenquote je MWh anschauen. In Frankreich schafft man es ja durch extreme Subvention seitens des Staates, die MWh für den privaten Verbraucher zu 90 Euro anzubieten. Bei WKA der älteren Generation schafft man es, ebenfalls mit extreme Subvention, auf 25 Euro je MWh.
Übrigens kein Land, welches auf AKW setzt, hat eine CF Quote von 1:1 im Bereiche Kernenergie, es muss immer ein Backup auch bei AKW vorgehalten werden, eben aus dem Grund Wartung und Ausfall, da eben die Bauzeiten bei AKW je MW viel länger sind als bei WKA/PV, von den Planungs- und Genehmigungszeiten will ich noch gar nicht sprechen.

Und dann kommen wir noch einmal zu den von mir weiter oben angesprochenen Fakten, warum der weltweite Ausbau an AKW nur schleppend bis gar nicht läuft.

Es bleiben damit immer noch folgende offene Fragen:
- Unwirtschaftlichkeit im Neubau
- Unwirtschaftlichkeit im Bestand, aufgrund keiner Einbeziehung der Endlagerung, mit gutem Willen bildet man Rücklagen für die Zwischenlagerung
- Endlagerungsproblematik, siehe die Äußerungen von Herrn König, Erfahrungen aus Finnland fehlen
- weltweite marode Infrastruktur, man hat hier den Ausbau oder wenigstens das halten des Bestandsniveaus an AKW verschlafen, aber das resultiert ja aus den 3 Gründen von oben.
- Standortprobleme in Zukunft aufgrund Wassermangels, damit verbundene temporäre AKW Flaute in Europa/Welt
- Ressourcenproblem, außer man macht die Minen wieder auf deutschem Boden auf, fehlende Unabhängigkeit nicht beim Bau (das haben wir ja auch bei den EE) aber eben auch während des Betriebes.

Das alles macht die EE nicht besser, nur hat man hier eben gewisse Vorteile. Es ist auch nun mal nicht so, das alle Punkte bei EE rosig sind, das hat auch nie jemand behauptet. Es macht auch Sinn zu prüfen, die aktuellen AKW weiterlaufen zu lassen, wenn diese eine signifikante Erleichterung bei der Gas- bzw. Stromentlastung bringen und keine anderen Risiken oder Abhängigkeiten birgt. Aber über den Neueinstieg zu diskutierten, ist in meinen Augen, ein wenig weltfremd, wenn man über emissionsarme und bezahlbare Energieversorgung in Zukunft sprechen will.
Das sind halt alles Punkte, die in die Gesamtbetrachtung mit rein gehören. Stellt man nun die Vor- und Nachteile diverser Arten der Stromerzeugung gegenüber, gewichtet man diese eben unterschiedlich. Geht es um die reinen Kosten, dann wird wohl Gas und Kohle (ohne den Krieg) auf kürzere Zeit die günstigste bleiben. Kernkraft wird wohl auf absehbare Zeit die mit abstand teuerste bleiben. Schaut man sich die Emissionen an wird, sieht das nun wieder anders aus. Aus all diesen Punkten, muss man nun versuchen die in Zukunft günstigste und emissionsärmste Variante zu finden und diese auszubauen. Für viele spricht eben der Kostenfaktor und der zu erzielende Emissionsgrad für EE.

Man sollte in dieser aktuellen Situation den Streckbetrieb diskutieren und nicht den Wiedereinstieg oder die Verlängerung (neue Brennstäbe) der Atomkraft in Deutschlands. Wenn es nachvollziehbare und belegbare Vorteile des Steckbetriebes für die z.b. oben aus der Erläuterung stammenden 80 Tage (60%) gibt, dann sollte man sich auch nicht verschließen. Aber für die Bestellung neuer Brennstäbe oder sogar den Bau neuer Anlagen, braucht man schon eine andere Diskussionsgrundlage, ausser die aktuelle Gasmangellage.
 
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ThoPBe

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16.09.2018
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Russland nutzt das AKW kriegstaktisch/strategisch als Schutzschild. So wie die Ukraine Städte als Schutzschild für die Truppen nutzt. Das wusste schon von Clausewitz, siehe Vom Kriege "Volksbewaffnung" (aka asymmetrische Kriegführung). Wenn die Ukraine nicht auf das AKW schiesst, passiert genau Null-Komma-Nix.

Russland weiß aus der Vergangenheit mehr als genau, was passiert, wenn die Ukraine das AKW beschiesst, Radioaktivität freigesetzt wird und der Wind ungünstig steht. Dann wäre und ist Russland hauptbetroffen vom Fallout. Und das kann Russland nicht wollen. Die Ukraine hoffentlich auch nicht. Denn man kann sagen, was man will: das Wetter beeinflussen kann Putin nicht.
 
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05.04.2009
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Russland nutzt das AKW kriegstaktisch/strategisch als Schutzschild. So wie die Ukraine Städte als Schutzschild für die Truppen nutzt. Das wusste schon von Clausewitz, siehe Vom Kriege "Volksbewaffnung" (aka asymmetrische Kriegführung). Wenn die Ukraine nicht auf das AKW schiesst, passiert genau Null-Komma-Nix.

Russland weiß aus der Vergangenheit mehr als genau, was passiert, wenn die Ukraine das AKW beschiesst, Radioaktivität freigesetzt wird und der Wind ungünstig steht. Dann wäre und ist Russland hauptbetroffen vom Fallout. Und das kann Russland nicht wollen. Die Ukraine hoffentlich auch nicht. Denn man kann sagen, was man will: das Wetter beeinflussen kann Putin nicht.
Putin nutzt das AKW als Waffe in einem hybriden Krieg um in Westeuropa Angst zu schüren. Ich glaube Putin ist es egal, ob es einen radioaktiven Fallout über Russland gibt. Und wenn wir den Argumenten der AKW-Befürworter in diesem Thema folgen, muss er davor keine Angst haben, da Tachernobyl und Fukushima insgesamt nur Todesfälle im niedrigen zweistelligen Bereich gefordert haben. Fakt ist jedoch das Putin ein AKW in seinem schmutzigen Krieg missbraucht und auch in Zukunft ist davon auszugehen das so etwas wieder passiert. Damit besteht eine erhebliche Gefährdung durch AKWs in Konflikten.
 
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ThoPBe

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16.09.2018
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Putin nutzt das AKW als Waffe in einem hybriden Krieg um in Westeuropa Angst zu schüren. Ich glaube Putin ist es egal, ob es einen radioaktiven Fallout über Russland gibt. Und wenn wir den Argumenten der AKW-Befürworter in diesem Thema folgen, muss er davor keine Angst haben, da Tachernobyl und Fukushima insgesamt nur Todesfälle im niedrigen zweistelligen Bereich gefordert haben. Fakt ist jedoch das Putin ein AKW in seinem schmutzigen Krieg missbraucht und auch in Zukunft ist davon auszugehen das so etwas wieder passiert. Damit besteht eine erhebliche Gefährdung durch AKWs in Konflikten.
Auf fast allen Metaebenen falsch. Aus deinen Mutmaßungen und Vermutungen kann man eben keine Fakten generieren, egal, wie groß man die Sache macht. Wenn du Ukraine nicht auf das AKW feuert, passiert: nichts.

Russland braucht kein AKW, um Atomangst zu schüren, dafür hat es andere Wege. Im Gegensatz zur Ukraine.

Ich finde es ehrlich gesagt unter aller Kanone, den Krieg, das Leid der Ukrainer und Russen, die Toten von Fukushima & Tschernobyl als (Schein-)"Argument" gegen eine sichere und günstige Energieversorgung zu nutzen.

Deine Aussage ist ein Null-Argument. Haben wir in Deutschland, Frankreich, Japan, USA, etc. pp. Krieg? Warum hat der Iran (Ja, DER Iran) eigentlich deiner Meinung nach noch seine AKW und reichert Uran an? Da könnte ja auch jederzeit ein Krieg ausbrechen?

Aber zurück zum Thema. Hier geht es nicht um die Ukraine, Russland oder den Krieg.
 
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05.04.2009
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Auf fast allen Metaebenen falsch. Aus deinen Mutmaßungen und Vermutungen kann man eben keine Fakten generieren, egal, wie groß man die Sache macht. Wenn du Ukraine nicht auf das AKW feuert, passiert: nichts.

Russland braucht kein AKW, um Atomangst zu schüren, dafür hat es andere Wege. Im Gegensatz zur Ukraine.

Ich finde es ehrlich gesagt unter aller Kanone, den Krieg, das Leid der Ukrainer und Russen, die Toten von Fukushima & Tschernobyl als (Schein-)"Argument" gegen eine sichere und günstige Energieversorgung zu nutzen.

Deine Aussage ist ein Null-Argument. Haben wir in Deutschland, Frankreich, Japan, USA, etc. pp. Krieg? Warum hat der Iran (Ja, DER Iran) eigentlich deiner Meinung nach noch seine AKW und reichert Uran an? Da könnte ja auch jederzeit ein Krieg ausbrechen?

Aber zurück zum Thema. Hier geht es nicht um die Ukraine, Russland oder den Krieg.
Deine Antwort bestätigt ja das Befürworter der Atomkraft dieses im wesentlichen ideologisch betrachten und wenig rational. Relevante Sicherheitsrisiken werden einfach als irrelevant definiert. Schon ein obskurer Gedanke das die Ukrainer ein Sicherheitsrisiko für ihren Reaktor darstellen und nicht Russland, welches in einer völkerrechtswidrigen Aggression das AKW besetzt hat und für seinen Aggressionskrieg instrumentalisiert. Bei einer solch verqueren Argumentation müsst ihr Euch nicht wundern das man Euch nicht glaubt das ihr die Sicherheit von Atomkraft korrekt einschätzen könnt.
 

Langstreckenpendler

Erfahrenes Mitglied
28.12.2021
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Ich finde es ehrlich gesagt unter aller Kanone, den Krieg, das Leid der Ukrainer und Russen, die Toten von Fukushima & Tschernobyl als (Schein-)"Argument" gegen eine sichere und günstige Energieversorgung zu nutzen.
Ich lese ja schon eine Weile hier mit und Ich lass die Kriegsthematik mal einfach hier raus, denn mir geht es grundsätzlich um Sicherheit von Atomkraftwerken. Es kann IMMER Unfälle, Pannen, Attacken irgendeiner Art geben, aber die Folgen müssen beherrschbar sein. Und das sind sie im Fall Atomkraft nicht. In keinster Weise, weder auf ein überschaubares Gebiet noch auf eine überschaubare Zeit beschränkt.

Ich finde es schlicht völlig unangemessen, überhaupt von den Toten als „Scheinargument“ zu sprechen und vor allem alle sonstigen Geschädigten (es gibt etwa 8 Mio Tschernobyl-Betroffene in kontaminierten Gebieten, manche mehr, manche weniger) zu vergessen. Das bringt mich auf die Palme.
Und das soll eine günstige und sichere Energieform sein? Allein die Folgen von Tschernobyl sollen bisher mehr als 600 Mrd. Euro gekostet haben - und ich glaube nicht ansatzweise, dass alle Folgen erfasst wurden. Das Alles bei genau genommen nur einem 1000MW-Reaktorblock.

Vielleicht tue ich jemandem Unrecht, aber hier diskutieren Leute, die sich irgendwelche Studien um die Ohren hauen, die vielleicht den technischen Ablauf des Unglücks gelesen oder die spektakulären Teile als Serie gesehen haben, vielleicht auch verstanden haben - aber trotzdem weder erfahren noch verstanden haben, was drumrum passierte. Die wie schon immer in Deutschland - einfach die Deutungshoheit übernehmen. Nicht ein Tschernobylez dabei (deutsch wortwörtlich Tschernobyler (m), die sinngemäße Übersetzung - mit entsprechender ausgrenzender Nebenbedeutung - „Leuchtet im Dunkeln“), nicht einmal gefragt. Keiner, der versteht, was neben der eigentlichen Unfallstelle, neben den Liquidatoren passierte. Vermutlich nichtmal jemand dabei, der ohne Nachzuschlagen die 5 anfänglich wichtigsten Isotope nach Tschernobyl aufzählen kann.

Zum Thema Studien bzgl. Betroffenen gäbe es für mich gewisse Minimalanforderungen bzgl. der Angaben:
- Herkunft und Signifikanz des Datenmaterials
- Betrachtungszeitraum der Studie (von-bis)
- sind Projektionsmodelle enthalten, wenn ja - welche (der Exit einer Folgenbetrachtung ist noch lange nicht erreicht, die damals Lebenden sind noch nicht alle tot)
- welche Menschen sind inkludiert (zum Zeitpunkt Lebende, Ungeborene oder später Geborene, was ist mit Totgeburten?)
- örtlicher Bezug (wer wurde örtlich in Untersuchungen inkludiert, follow-up bei Weggezogenen etc., beim AKW eingesetzte Menschen, in 37kBq-Gebieten (Bodenstrahlung) Gemeldete, in aus dem Kiewer Meer mit Trinkwasser versorgte Menschen, Nahrungsmittel, Unfälle/Verletzungen bei der Evakuierung?)
- was wurde eigentlich als Opfer betrachtet (Tod oder gesundheitliche Schädigung)
- welche Diagnosen wurden inkludiert
- Psychische und soziale Folgen

Wenn man das mal nur vollständig definiert wird man feststellen, dass es kaum vergleichbare Studien gibt, maximal ein Flickenteppich und ein merkwürdiger Wettbewerb von Endzahlen sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Ich erwarte da keine auch nur halbwegs korrekte Antwort mehr, zumal da durch die damaligen Sowjetunion auch viel Zahlenmaterial - so es denn überhaupt erhoben wurde - als geheim eingestuft wurde. Ich wüsste selbst nichtmal, wo man Anfangen und vor allem wo man Enden sollte.

Da wird Strahlenkrankheit und radioaktive Verbrennnungen schwersten Grades noch geradeso ursächlich dem GAU zugeordnet, bei vermehrt auftretendem Schilddrüsenkrebs diskutiert man schon (kann ja auch andere Ursachen haben) und Iod-131 im Speziellen war wohl zumindest schon nach 3 Monaten in den seltensten Fällen über dem Grenzwert nachweisbar (bei 8 Tagen HWZ). Über die vor lauter Panik mit Jod-Tabletten-Überdosis (viel hilft viel) in Kiewer Krankenhäusern liegenden Patienten lacht man oder weiß nichtmal davon.
Noch schwächer zugeordnet: erhöhte Anzahl Krebserkrankungen. Von geschwächten Immunsystemen, latenten Anämien, Panzytopenien etc. (übrigens das Thema, warum es die Deutschland-Aufenthalten für Kinder aus betroffenen Gebieten gab/gibt?) ganz zu schweigen, denn Ursachen - ihr ahnt es schon - können dafür vielfältig sein, da verrecken Menschen dann frühzeitig an Krankheiten, die wohl ohne beeinträchtigtes Blutsystem anders ausgegangen wären. Tja, und genetische Schäden, Chromosomenschädigungen. Aber ihr ahnt schon - sowas findet ständig im Körper statt - und nur eine mögliche Ursache wäre radioaktive Strahlung.
Und über psychosoziale Folgen spricht man bisher eigentlich nur in Fukushima Daiichi, dabei schreibt man dort diesem GAU allein mittlerweile über mehr als 240 Selbstmorde zu - und das ist nur die absolute Spitze des Eisbergs. Während der Ereignisse in Fukushima saß ich nachts vor dem Fernseher und wusste instinktiv, als nacheinander an 3 Reaktoren der Wasserdampf austrat, dass es vorbei ist - während der Kommentar noch beruhigend erklärt, dass man nicht wüsste, was geschehen ist.

Ich komme nicht aus der Anti-AKW-Bewegung, bin kein Anhänger der Grünen (genau genommen gar keiner Partei), ich bin nichtmal in der damaligen Bundesrepublik (West) geboren. Aber ich habe von Sommer 1983 bis Sommer 1986 - in Kiew gelebt, Wohnung 85 km Luftlinie von Tschernobyl-4. Ich wurde nicht Anfang Mai (10.05.86?) in die Ferien geschickt, so wie die sowjetischen Kinder. Ich war etwa noch 1,5 Monate da (also mehr als die 3fache Zeit gleichaltriger sowjetischer Kinder aus Kiew), bevor die sog. Schule beim Generalkonsulat der DDR in Kiew (hatte 2 Unterrichtsräume in der heutigen Schule No. 49 in Kiew, Yaroslav Val, das GK ist inzwischen die Kanadische Botschaft in Kiew) für 2-3 Wochen (bis Ferienbeginn am 01.07.86) in ein Ferienlager des Außenministeriums der DDR auf der Mecklenburger Seenplatte umzog. Ich war so die meiste Zeit in Kiew, als dort die höheren Dosen verteilt wurden.

Welche Sicherheit sollte es denn geben, wenn erst in der Nähe ein offener, brennender Reaktor tagelang seinen Inhalt in die Atmosphäre schleudert?
Die wenigsten wissen, dass vom Flughafen Borispol immer noch Richtung Norden - z.B. in Richtung Moskwa - gestartet wurde und die Flugroute leicht seitlich am Reaktor vorbeiging, sodass man aus dem linken Seitenfenster geradezu in den Reaktor schauen konnte. Machten es 14 h Extra-Dauer wegen Umleitung per Zug Richtung Minsk irgendwie sicherer? Oder brachten die Leute, die mit Geigerzähler auf offener Straße an Menschen rumgemessen haben, die nötige Sicherheit? Die Tankwagen, die versuchten, den radioaktiven Staub jeden Morgen in die Kanalisation zu spülen? Oder der Schleusenbetrieb im kleinen Flur der eigenen Wohnung, die mit Papierstreifen abgeklebten Fenster? Die Empfehlung des ukrainischen Gesundheitsministers im 1. Ukrainischen Fernsehen, doch wegen der Strahlung das Rauchen einzustellen (der heute übliche Zusatz mehr Sport zu machen und sich gesund zu ernähren fehlte) - aber mein Vater hat damit schlagartig aufgehört. Das Silberiodid, womit eventuell Wolken mit radioaktivem Niederschlag vor der Stadt abregneten, die dadurch extrem hohen Temperaturen? Die Wasserversorgung, die das Oberflächenwasser des Kiewer Meeres (Tschernobyl liegt direkt am Zufluss zu diesem riesigen Stausee, der Teil der Sperrzone war/ist!) in jeden Haushalt brachten? Die Dekontaminations-Posten der ABC-Truppen auf dem Weg aus Kiew raus, zum Beispiel nach Borispol (übrigens die Einzigen mit Maske - ich denke, jeder hätte sich damals eine gewünscht und getragen)? Oder die Art Sicherheit, als Ausländer ohne besondere Genehmigung die Stadt nicht verlassen zu dürfen?

Was solls, ich bin weiter zur Schule gegangen, schließlich war das mit Tschernobyl nur westliche Propaganda (Margots Volksbildungsministerium der DDR auf die Anfrage nach frühzeitigen Ferien analog sowjetischer Schüler).
Wie beruhigend, dass es kein Problem war, noch die 1. Mai-Parade auf dem Kreschtschatik durchzuziehen und es möglich war, den Radrennfahrern beim Prolog der Friedensfahrt zuzujubeln. Reines Verdrängen, das Undenkbare nicht wahrhaben wollen. Oder um Erich Honecker zu zitieren „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“

Der ukrainische Volksmund dichtete:
Auf dem Felde pflügt ein Traktor
Hinterm Dorf brennt ein Reaktor
Ein Atomstab fliegt vorbei
Es lebe Hoch der 1. Mai!
(Danke an Wiktor Wassiljowytsch Tymtschenko fürs Aufschreiben auf Deutsch)

Am 29.07.86 war - zusammen mit meinen Eltern - meine erste offizielle Strahlenmessung mit viel Duscherei und wiederholter Schrubberei (trotzdem - abgegrenzt zur natürlichen Radioaktivität - über Grenzwert)

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Der Diagnose-Code V70.0 ist übrigens der einzige eingetragene Diagnose-Code in meinem SV-Ausweis. Er bedeutet nach ICD-9 (DDR) „Allgemeine Routineuntersuchung in einer Einrichtung des Gesundheitswesens“. Natürlich hat das jeder in der DDR routinemäßig gemacht und ist nach Berlin gefahren (das war Sarkasmus). Noch allgemeiner und routinemäßiger ging vielmehr garnicht zu betonen. Der Stempel dahinter zeigt, dass es keine normale Reihenuntersuchung wie beim Hausarzt oder in der Schule war, der normale Arztstempel war auch viel kleiner. Soviel zu Erfassung, Auswertung und Statistik, der Basis von Studien.

Eine Nuklearkatastrophe wie Tschernobyl hat - allerdings im direkten Ursachennachweis häufig schwierig (manchmal vermerkt ein deutscher Mediziner „cryptogen“ in der Diagnose - medizinische Folgen für Betroffene, es hat auch - ohne jetzt an dieser Stelle zu tief einsteigen zu wollen - definitiv psychosoziale Folgen. Psychosozial bezieht sich dabei ausdrücklich auch auf die Reaktion Nicht-Betroffener auf Betroffene.
Tschernobyl hat jedenfalls mein weiteres Leben bis heute mehr geprägt als mir selbst lieb sein kann - was davon letztlich positiv oder negativ war, werde ich vermutlich erst am Ende meines Lebens wissen.

Es ist mir unbegreiflich, warum man 25 Jahre bis Fukushima brauchte, um den Atomausstieg in Deutschland anzugehen.
Möglicherweise aus Mangel an Ersatzkapazitäten, die man hätte schaffen müssen, vielmehr ging es um Wirtschafts- und Profitinteressen, vielleicht waren auch die verstrahlten Pilze und das kontaminierte Borstenvieh im Bayrischen Wald oder der kontaminierte Sand auf Spielplätzen nicht ausreichend. Vielleicht verdrängt der Mensch auch nur - bis auf die Betroffenen. So wie jede Katastrophe, jede Krise, jeden Krieg. Vielleicht sind wir inzwischen nur 1,5 oder 2 Generationen weiter.
Noch unbegreiflicher ist mir die jetzige Diskussion, nochmal 11 Jahre nach Fukushima.

Ich fände es nicht mal verkehrt, wenn auch mal die Folgen der verschleppten Umstellung auf Erneuerbare Energien, die völlig kontraproduktive Strompreisbremse von Herrn Altmaier, der ständig - auch durch Umweltorganisationen wie BUND, DUH etc. - behinderte Infrastrukturausbau (Südlink und andere HGÜ-Leitungen) spürbare Konsequenzen hätten, damit dieses Land mal wieder anfängt nach vorne zu schauen und nicht an 80er Jahre-Infrastruktur, z.T. noch älterer Vergangenheit festhält.
Einfach mal auf politische Entscheidungen die Konsequenzen spüren lassen, echtes Leben erleben, nicht alles mit Entlastungen aller Art zukleistern bis man sich keinen Schritt mehr bewegen kann.

Aber was immer auch von unserer heutigen Politik entschieden wird, ich werde es ertragen müssen so wie ich vieles schon ertragen habe. Betroffene, Sonderfälle spielen im Mehrheitsprinzip unserer Demokratie leider kaum eine Rolle und ich häng mich aus Prinzip nicht an Menschen, die das Thema versuchen für die politische Abgrenzung exklusiv zu missbrauchen und für so ein Thema aus Eigeninteresse die Deutungshoheit übernehmen, die Geschichte systematisch benutzen und ggf. bei Bedarf zu verraten.
 

br33s

Erfahrenes Mitglied
19.11.2010
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Gleich kommt aber das „Argument“, das bei Kohle und Gas durch CO2 weit mehr Menschen an den den Folgen sterben.
Dann auch das Three Miles, Tschernobyl und Fukushima nur Einzelfälle bei über 4xx Reaktoren weltweit sind.
 

ThoPBe

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16.09.2018
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Ich lese ja schon eine Weile hier mit und Ich lass die Kriegsthematik mal einfach hier raus, denn mir geht es grundsätzlich um Sicherheit von Atomkraftwerken. Es kann IMMER Unfälle, Pannen, Attacken irgendeiner Art geben, aber die Folgen müssen beherrschbar sein. Und das sind sie im Fall Atomkraft nicht. In keinster Weise, weder auf ein überschaubares Gebiet noch auf eine überschaubare Zeit beschränkt.

Ich finde es schlicht völlig unangemessen, überhaupt von den Toten als „Scheinargument“ zu sprechen und vor allem alle sonstigen Geschädigten (es gibt etwa 8 Mio Tschernobyl-Betroffene in kontaminierten Gebieten, manche mehr, manche weniger) zu vergessen. Das bringt mich auf die Palme.
Und das soll eine günstige und sichere Energieform sein? Allein die Folgen von Tschernobyl sollen bisher mehr als 600 Mrd. Euro gekostet haben - und ich glaube nicht ansatzweise, dass alle Folgen erfasst wurden. Das Alles bei genau genommen nur einem 1000MW-Reaktorblock.

Vielleicht tue ich jemandem Unrecht, aber hier diskutieren Leute, die sich irgendwelche Studien um die Ohren hauen, die vielleicht den technischen Ablauf des Unglücks gelesen oder die spektakulären Teile als Serie gesehen haben, vielleicht auch verstanden haben - aber trotzdem weder erfahren noch verstanden haben, was drumrum passierte. Die wie schon immer in Deutschland - einfach die Deutungshoheit übernehmen. Nicht ein Tschernobylez dabei (deutsch wortwörtlich Tschernobyler (m), die sinngemäße Übersetzung - mit entsprechender ausgrenzender Nebenbedeutung - „Leuchtet im Dunkeln“), nicht einmal gefragt. Keiner, der versteht, was neben der eigentlichen Unfallstelle, neben den Liquidatoren passierte. Vermutlich nichtmal jemand dabei, der ohne Nachzuschlagen die 5 anfänglich wichtigsten Isotope nach Tschernobyl aufzählen kann.

Zum Thema Studien bzgl. Betroffenen gäbe es für mich gewisse Minimalanforderungen bzgl. der Angaben:
- Herkunft und Signifikanz des Datenmaterials
- Betrachtungszeitraum der Studie (von-bis)
- sind Projektionsmodelle enthalten, wenn ja - welche (der Exit einer Folgenbetrachtung ist noch lange nicht erreicht, die damals Lebenden sind noch nicht alle tot)
- welche Menschen sind inkludiert (zum Zeitpunkt Lebende, Ungeborene oder später Geborene, was ist mit Totgeburten?)
- örtlicher Bezug (wer wurde örtlich in Untersuchungen inkludiert, follow-up bei Weggezogenen etc., beim AKW eingesetzte Menschen, in 37kBq-Gebieten (Bodenstrahlung) Gemeldete, in aus dem Kiewer Meer mit Trinkwasser versorgte Menschen, Nahrungsmittel, Unfälle/Verletzungen bei der Evakuierung?)
- was wurde eigentlich als Opfer betrachtet (Tod oder gesundheitliche Schädigung)
- welche Diagnosen wurden inkludiert
- Psychische und soziale Folgen

Wenn man das mal nur vollständig definiert wird man feststellen, dass es kaum vergleichbare Studien gibt, maximal ein Flickenteppich und ein merkwürdiger Wettbewerb von Endzahlen sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Ich erwarte da keine auch nur halbwegs korrekte Antwort mehr, zumal da durch die damaligen Sowjetunion auch viel Zahlenmaterial - so es denn überhaupt erhoben wurde - als geheim eingestuft wurde. Ich wüsste selbst nichtmal, wo man Anfangen und vor allem wo man Enden sollte.

Da wird Strahlenkrankheit und radioaktive Verbrennnungen schwersten Grades noch geradeso ursächlich dem GAU zugeordnet, bei vermehrt auftretendem Schilddrüsenkrebs diskutiert man schon (kann ja auch andere Ursachen haben) und Iod-131 im Speziellen war wohl zumindest schon nach 3 Monaten in den seltensten Fällen über dem Grenzwert nachweisbar (bei 8 Tagen HWZ). Über die vor lauter Panik mit Jod-Tabletten-Überdosis (viel hilft viel) in Kiewer Krankenhäusern liegenden Patienten lacht man oder weiß nichtmal davon.
Noch schwächer zugeordnet: erhöhte Anzahl Krebserkrankungen. Von geschwächten Immunsystemen, latenten Anämien, Panzytopenien etc. (übrigens das Thema, warum es die Deutschland-Aufenthalten für Kinder aus betroffenen Gebieten gab/gibt?) ganz zu schweigen, denn Ursachen - ihr ahnt es schon - können dafür vielfältig sein, da verrecken Menschen dann frühzeitig an Krankheiten, die wohl ohne beeinträchtigtes Blutsystem anders ausgegangen wären. Tja, und genetische Schäden, Chromosomenschädigungen. Aber ihr ahnt schon - sowas findet ständig im Körper statt - und nur eine mögliche Ursache wäre radioaktive Strahlung.
Und über psychosoziale Folgen spricht man bisher eigentlich nur in Fukushima Daiichi, dabei schreibt man dort diesem GAU allein mittlerweile über mehr als 240 Selbstmorde zu - und das ist nur die absolute Spitze des Eisbergs. Während der Ereignisse in Fukushima saß ich nachts vor dem Fernseher und wusste instinktiv, als nacheinander an 3 Reaktoren der Wasserdampf austrat, dass es vorbei ist - während der Kommentar noch beruhigend erklärt, dass man nicht wüsste, was geschehen ist.

Ich komme nicht aus der Anti-AKW-Bewegung, bin kein Anhänger der Grünen (genau genommen gar keiner Partei), ich bin nichtmal in der damaligen Bundesrepublik (West) geboren. Aber ich habe von Sommer 1983 bis Sommer 1986 - in Kiew gelebt, Wohnung 85 km Luftlinie von Tschernobyl-4. Ich wurde nicht Anfang Mai (10.05.86?) in die Ferien geschickt, so wie die sowjetischen Kinder. Ich war etwa noch 1,5 Monate da (also mehr als die 3fache Zeit gleichaltriger sowjetischer Kinder aus Kiew), bevor die sog. Schule beim Generalkonsulat der DDR in Kiew (hatte 2 Unterrichtsräume in der heutigen Schule No. 49 in Kiew, Yaroslav Val, das GK ist inzwischen die Kanadische Botschaft in Kiew) für 2-3 Wochen (bis Ferienbeginn am 01.07.86) in ein Ferienlager des Außenministeriums der DDR auf der Mecklenburger Seenplatte umzog. Ich war so die meiste Zeit in Kiew, als dort die höheren Dosen verteilt wurden.

Welche Sicherheit sollte es denn geben, wenn erst in der Nähe ein offener, brennender Reaktor tagelang seinen Inhalt in die Atmosphäre schleudert?
Die wenigsten wissen, dass vom Flughafen Borispol immer noch Richtung Norden - z.B. in Richtung Moskwa - gestartet wurde und die Flugroute leicht seitlich am Reaktor vorbeiging, sodass man aus dem linken Seitenfenster geradezu in den Reaktor schauen konnte. Machten es 14 h Extra-Dauer wegen Umleitung per Zug Richtung Minsk irgendwie sicherer? Oder brachten die Leute, die mit Geigerzähler auf offener Straße an Menschen rumgemessen haben, die nötige Sicherheit? Die Tankwagen, die versuchten, den radioaktiven Staub jeden Morgen in die Kanalisation zu spülen? Oder der Schleusenbetrieb im kleinen Flur der eigenen Wohnung, die mit Papierstreifen abgeklebten Fenster? Die Empfehlung des ukrainischen Gesundheitsministers im 1. Ukrainischen Fernsehen, doch wegen der Strahlung das Rauchen einzustellen (der heute übliche Zusatz mehr Sport zu machen und sich gesund zu ernähren fehlte) - aber mein Vater hat damit schlagartig aufgehört. Das Silberiodid, womit eventuell Wolken mit radioaktivem Niederschlag vor der Stadt abregneten, die dadurch extrem hohen Temperaturen? Die Wasserversorgung, die das Oberflächenwasser des Kiewer Meeres (Tschernobyl liegt direkt am Zufluss zu diesem riesigen Stausee, der Teil der Sperrzone war/ist!) in jeden Haushalt brachten? Die Dekontaminations-Posten der ABC-Truppen auf dem Weg aus Kiew raus, zum Beispiel nach Borispol (übrigens die Einzigen mit Maske - ich denke, jeder hätte sich damals eine gewünscht und getragen)? Oder die Art Sicherheit, als Ausländer ohne besondere Genehmigung die Stadt nicht verlassen zu dürfen?

Was solls, ich bin weiter zur Schule gegangen, schließlich war das mit Tschernobyl nur westliche Propaganda (Margots Volksbildungsministerium der DDR auf die Anfrage nach frühzeitigen Ferien analog sowjetischer Schüler).
Wie beruhigend, dass es kein Problem war, noch die 1. Mai-Parade auf dem Kreschtschatik durchzuziehen und es möglich war, den Radrennfahrern beim Prolog der Friedensfahrt zuzujubeln. Reines Verdrängen, das Undenkbare nicht wahrhaben wollen. Oder um Erich Honecker zu zitieren „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“

Der ukrainische Volksmund dichtete:
Auf dem Felde pflügt ein Traktor
Hinterm Dorf brennt ein Reaktor
Ein Atomstab fliegt vorbei
Es lebe Hoch der 1. Mai!
(Danke an Wiktor Wassiljowytsch Tymtschenko fürs Aufschreiben auf Deutsch)

Am 29.07.86 war - zusammen mit meinen Eltern - meine erste offizielle Strahlenmessung mit viel Duscherei und wiederholter Schrubberei (trotzdem - abgegrenzt zur natürlichen Radioaktivität - über Grenzwert)

Anhang anzeigen 187136

Der Diagnose-Code V70.0 ist übrigens der einzige eingetragene Diagnose-Code in meinem SV-Ausweis. Er bedeutet nach ICD-9 (DDR) „Allgemeine Routineuntersuchung in einer Einrichtung des Gesundheitswesens“. Natürlich hat das jeder in der DDR routinemäßig gemacht und ist nach Berlin gefahren (das war Sarkasmus). Noch allgemeiner und routinemäßiger ging vielmehr garnicht zu betonen. Der Stempel dahinter zeigt, dass es keine normale Reihenuntersuchung wie beim Hausarzt oder in der Schule war, der normale Arztstempel war auch viel kleiner. Soviel zu Erfassung, Auswertung und Statistik, der Basis von Studien.

Eine Nuklearkatastrophe wie Tschernobyl hat - allerdings im direkten Ursachennachweis häufig schwierig (manchmal vermerkt ein deutscher Mediziner „cryptogen“ in der Diagnose - medizinische Folgen für Betroffene, es hat auch - ohne jetzt an dieser Stelle zu tief einsteigen zu wollen - definitiv psychosoziale Folgen. Psychosozial bezieht sich dabei ausdrücklich auch auf die Reaktion Nicht-Betroffener auf Betroffene.
Tschernobyl hat jedenfalls mein weiteres Leben bis heute mehr geprägt als mir selbst lieb sein kann - was davon letztlich positiv oder negativ war, werde ich vermutlich erst am Ende meines Lebens wissen.

Es ist mir unbegreiflich, warum man 25 Jahre bis Fukushima brauchte, um den Atomausstieg in Deutschland anzugehen.
Möglicherweise aus Mangel an Ersatzkapazitäten, die man hätte schaffen müssen, vielmehr ging es um Wirtschafts- und Profitinteressen, vielleicht waren auch die verstrahlten Pilze und das kontaminierte Borstenvieh im Bayrischen Wald oder der kontaminierte Sand auf Spielplätzen nicht ausreichend. Vielleicht verdrängt der Mensch auch nur - bis auf die Betroffenen. So wie jede Katastrophe, jede Krise, jeden Krieg. Vielleicht sind wir inzwischen nur 1,5 oder 2 Generationen weiter.
Noch unbegreiflicher ist mir die jetzige Diskussion, nochmal 11 Jahre nach Fukushima.

Ich fände es nicht mal verkehrt, wenn auch mal die Folgen der verschleppten Umstellung auf Erneuerbare Energien, die völlig kontraproduktive Strompreisbremse von Herrn Altmaier, der ständig - auch durch Umweltorganisationen wie BUND, DUH etc. - behinderte Infrastrukturausbau (Südlink und andere HGÜ-Leitungen) spürbare Konsequenzen hätten, damit dieses Land mal wieder anfängt nach vorne zu schauen und nicht an 80er Jahre-Infrastruktur, z.T. noch älterer Vergangenheit festhält.
Einfach mal auf politische Entscheidungen die Konsequenzen spüren lassen, echtes Leben erleben, nicht alles mit Entlastungen aller Art zukleistern bis man sich keinen Schritt mehr bewegen kann.

Aber was immer auch von unserer heutigen Politik entschieden wird, ich werde es ertragen müssen so wie ich vieles schon ertragen habe. Betroffene, Sonderfälle spielen im Mehrheitsprinzip unserer Demokratie leider kaum eine Rolle und ich häng mich aus Prinzip nicht an Menschen, die das Thema versuchen für die politische Abgrenzung exklusiv zu missbrauchen und für so ein Thema aus Eigeninteresse die Deutungshoheit übernehmen, die Geschichte systematisch benutzen und ggf. bei Bedarf zu verraten.
Disclaimer: Wie ich weiter vorne schon schrieb, Zitat: "...Ich kenne mich mit radioaktiver Strahlung, der grundlegenden Physik und den (deutschen) AKW tatsächlich aus, im (wahrscheinlichen) Gegensatz zu den meisten Usern hier..."

Da wir schon zigmal bewiesen (!, nicht nur dargelegt haben, dass die Atomkraft sicher und günstig ist), gehe ich darauf nicht mehr ein. Dass es in der Sowjetunion zum Super-Gau kam, lag einfach (und auch das ist hinlänglich bewiesen, nachgewiesen, wissenschaftlich unterlegt) und schlicht und ergreifend daran, das personelle Inkompetenz des Personals gepaart wurde mit einem strukturellen Konstruktionsfehler, gepaart mit billiger Bausausführung.

Das du persönlich betroffen warst, tut mir aufrichtig leid und ich wünsche dir gute Besserung und noch ein langes, gesundes Leben. Aber für den Schaden musst du dich bei den Verantwortlichen der SU bedanken, nicht bei der Kernkraft als solches.

Diese Art von Unfall kann in deutschen AKW nicht vorkommen; dass ist technisch de facto unmöglich, es sei denn, es wird absichtlich herbeigeführt.

Und in Japan gab es gar keine direkten AKW-Todesopfer. Was also soll uns dein Posting außer Angst vor der Kernenergie mitteilen? Die Angst ist unbegründet, wenn KK richtig betrieben wird, was in Deutschland der Fall ist. Nirgendwo ist die Sicherheit so hoch, die Angst der Menschen aber auch. Schlicht und einfach.
 
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br33s

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Three Miles, Tschernobyl, Fukushima wurden nicht wissentlich herbeigeführt. Man ging bei allen 3 Vorfällen davon aus, das man das jeweilige Werk sicher betreibt. Du sagst es richtig, das größte Problem an Tschernobyl war der Faktor Mensch, welcher den bausachlichen Mängel verschärft. Ich glaube die deutschen, französischen, chinesischen, koreanischen, amerikanischen, kanadischen Werke werden vom Faktor Mensch betrieben.
Verharmlosung bringt hier einfach nichts.
Der Nachweis, das die Generation II und III permanent sicher betrieben werden kann fehlt, zumal diese an die Grenzen ihrer zeitlichen Betreibererlaubnis kommen , auch fehlt der Nachweis, das diese Reaktortypen günstig betrieben werden können. Vor allem fehlt der Nachweis hier im Thread! Lässt dann an der „ich kenne mich aus mit…“ Aussage doch ein wenig zweifeln (Kompetenz wird damit nicht in Frage gestellt)!
 
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daukind

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Fukushima im selben Atemzug wie Tschernobyl zu nennen zeugt eindeutig wer hier keine Ahnung hat und seine Ideologie hinausposaunt.
 
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Luftikus

Megaposter
08.01.2010
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irdisch
Die haben beide sehr großflächige Verschmutzungen mit enormen Kosten bewirkt. Ohne jede Ideologie.
Nur Du machst hier eine ideologische Kampagne draus, oder versuchst es, weil dir die Fakten nicht passen?
 
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daukind

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Dann sind die Japaner vermutlich strunzdumm, dass sie als direkt und unmittelbar Betroffene weiter auf Atomkraft setzen? Die grünen Ideologen aus Deutschland können das doch deutlich besser beurteilen!
 

daukind

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Ist ja krass. Und was hat das verseuchte Wasser im Ozean für Auswirkungen auf Dich? Und mich? Wie viel hat es dich bisher gekostet? Und kannst du das in der Steuererklärung als außergewöhnliche Belastung angeben?

Da die Japaner also nicht erdbebensicher bauen können, sollten sie die Insel am Besten aufgeben und nach China ziehen? Wobei… können die erdbebensicher bauen?
 

daukind

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Nee, nee, keine Angst - ich nehme dir deinen Job schon nicht weg. Du bist darin auch viel qualifizierter als ich.
 

daukind

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Keine Argumente außer Kindergarten?
Ja, wo bleiben denn deine Argumente was an T und F vergleichbar ist (abgesehen dass es sich um AKW handelt) und welche Kosten dir durch das Wasser im Ozean entstehen. Immer her damit. Ich warte.

Allerdings kommen von Dir doch in nahezu jedem Thread eh nur dahingerotzte Einzeiler mit deiner „Meinung“ (auch wenn Du diese gerne als Fakt verkaufen möchtest)
 

br33s

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Man hat dann zum Beispiel in VAE die Sicherheitsmaßnahmen aus der Katastrophe in Fukushima aus Kostengründen weggelassen.
FC89CA3C-91E2-4F9D-AA09-AD2BAB73FB9E.jpeg

hier mal die Karte der aktivsten Erdbebenzonen auf der Welt und wie diese auf Erdbeben vorbereitet, sind die Farben sagen etwas über die Opferzahlen e Erbeben aus.
8566381F-2C99-4F43-A729-8C99400BA05E.png

dann kommen wir zur Tsunimakarte.
62AC3152-12B3-43E1-B302-CBE5BB5E7D4B.jpeg
Spricht jetzt bei dem Standort Barakah erstmal dafür einige Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Außer natürlich diese schlagen sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit aus. Aber die Wahrscheinlichkeit eines solchen Vorfalls liegt sichtlich weit unter 0,1%. Von daher macht es auch keinen Sinn hier weiter die Angst zu schüren.
 
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ThoPBe

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16.09.2018
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So ein Quatsch, was ist dass den für eine Seite? Hast du die Primärquelle der Meldung überhaupt gelesen und verstanden, wer da was behauptet? Die Ukraine und die in Rede stehenden Politiker (zwei!) wollen wohl vorbauen, wenn die Ukraine (aus Versehen) das AKW beschiesst und dabei ein Schaden entsteht. Und dann sollen Nato-Truppen in die Ukraine einmaschieren? Die Bodentruppen der Nato entsenden? Sollen die USA gleich die Kernwaffen auf Russland abfeuern oder geht es auch ne Nummer kleiner?

Unabhängig davon, dass die rechtliche Position der Webseite und der in Rede stehenden Politiker völlig unhaltbar ist; da gibt es keine zwei Meinungen zu.

Aber nochmal: hör bitte auf, den Konflikt in der Ukraine im Sinne der Anti-Atomkraft-Bewegung zu instrumentalisieren. Das eine hat mit dem anderen nix zu tun. In 99,8% aller Ländern kann man Kernkraft friedlich, sicher und zuverlässig nutzen; gerade in Deutschland; das hatten wir doch nun schon mehrfach.
 
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So ein Quatsch, was ist dass den für eine Seite? Hast du die Primärquelle der Meldung überhaupt gelesen und verstanden, wer da was behauptet? Die Ukraine und die in Rede stehenden Politiker (zwei!) wollen wohl vorbauen, wenn die Ukraine (aus Versehen) das AKW beschiesst und dabei ein Schaden entsteht. Und dann sollen Nato-Truppen in die Ukraine einmaschieren? Die Bodentruppen der Nato entsenden? Sollen die USA gleich die Kernwaffen auf Russland abfeuern oder geht es auch ne Nummer kleiner?

Unabhängig davon, dass die rechtliche Position der Webseite und der in Rede stehenden Politiker völlig unhaltbar ist; da gibt es keine zwei Meinungen zu.

Aber nochmal: hör bitte auf, den Konflikt in der Ukraine im Sinne der Anti-Atomkraft-Bewegung zu instrumentalisieren. Das eine hat mit dem anderen nix zu tun. In 99,8% aller Ländern kann man Kernkraft friedlich, sicher und zuverlässig nutzen; gerade in Deutschland; das hatten wir doch nun schon mehrfach.
Es hat sehr wohl etwas miteinander zu tun. AKWs sind in kriegerischen Auseinandersetzungen ein unverhältnismäßig großes Risiko. Da kann man noch soviel behaupten, es bleibt eine Tatsache.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat angesichts der russischen Besetzung des Atomkraftwerks Saporischschja vor einem Atomunfall gewarnt und Moskau dazu aufgefordert, einer Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde zuzustimmen. Die Inbesitznahme des ukrainischen Kraftwerks durch die russischen Streitkräfte sei eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der Anlage, sagte Stoltenberg am Mittwoch in Brüssel.

Aber vielleicht sagt Dir die Aussage des NATO-Generalsekretärs mehr zu? Wundert mich ein bisschen warum der höchste NATO-Funktionär eine deutliche Warnung an Russland sendet, wenn AKWs doch so sicher sind.
Beitrag automatisch zusammengeführt:

Es ist dringend erforderlich, die Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde zu gewähren und den Abzug aller russischen Streitkräfte sicherzustellen."

Klare Ansage von Stoltenberg, welche im Nachgang durch die Parlamentarier aus den USA und UK präzisiert werden.