E-Autos sind bei den Deutschen unbeliebter denn je. Denn sie sind bisher eher Projekte des politischen Willens. Doch die grüne Utopie von der Komplettabschaffung des Autos hat sich schnell erledigt. Jetzt heißt es, die Träume und Leidenschaften der Konsumenten ernst zu nehmen.
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E-Autos sind bei den Deutschen unbeliebter denn je. Denn sie sind bisher eher Projekte des politischen Willens. Doch die grüne Utopie von der Komplettabschaffung des Autos hat sich schnell erledigt. Jetzt heißt es, die Träume und Leidenschaften der Konsumenten ernst zu nehmen.
Nicht einmal die konsumgeilsten Milliardäre haben Lust. Eigentlich werden Hypercars, die mehr als eine Million Euro kosten und in limitierten Stückzahlen gebaut werden, mehr oder weniger während der Pressekonferenz ausverkauft, bei der sie vorgestellt werden. Einen
Rimac Nevera zum Beispiel.
Zwei Millionen Euro kostet er, knapp 2000 PS hat er. Für Milliardäre also eine gute Sache. Doch der kroatische Autobauer konnte, so meldeten es Branchendienste, bisher nur 50 der geplanten 150 Supersportwagen verkaufen.
Warum? Weil er ein E-Auto ist. Und da ist der charismatische Visionär Rimac mittlerweile illusionslos: Die Superreichen wollen Verbrenner.
Aber nicht nur die. Vor einigen Tagen schockte eine aktuelle Umfrage unter Autohäusern. Demnach haben Privatkunden seit Jahresbeginn
47 Prozent weniger E-Autos bestellt als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Die Bestellungen für Plug-in-Hybride gingen um 37 Prozent zurück.
Dafür stieg die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen und Benzinern um 24 Prozent. Die Händler erwarten, so war es
in der WELT AM SONNTAG zu lesen, auch für das zweite Halbjahr keine Besserung. Der Grund für den Nachfrage-Einbruch ist aus Sicht der Autoverkäufer der hohe Preis der E-Autos. Das zeige sich gerade im Bereich der Flotten- und Dienstfahrzeuge, in dem emotionale Faktoren beim Kauf eine geringe Rolle spielen.
E-Autos sind ungeliebt. Und das kommt in der Marktwirtschaft einem Todesurteil gleich. Das ist eigentlich das kleine Einmaleins der Marktwirtschaft. „Konsumenten“, weiß sogar die Bundeszentrale für politische Bildung, „belohnen durch ihre Kaufentscheidungen die Produzenten der Güter, die ihren Bedürfnissen am ehesten entsprechen.“
Und: „Sie bestrafen diejenigen, deren Produkte sie wegen überhöhter Preise, nicht ansprechender Eigenschaften oder schlechter Qualität nicht kaufen.“
Doch das E-Auto ist das Produkt eines politischen Willens. Es ist für viele Umweltaktivisten und Grüne die Zwischenstufe zur utopischen Komplettabschaffung des Autos und damit der zügigen Form der individuellen Mobilität.
Aus E-Autos werden selbstfahrende E-Autos und dann irgendwann KI-gesteuerte Kleinbusse, die, mit den Fernzügen vernetzt, Autos überflüssig machen. Der Kampf gegen das Auto und damit gegen individuelle Mobilität ist so alt wie das Auto selbst.
Der „Green Deal“ wrackt die deutsche Volkswirtschaft ab
Neu ist der umweltpolitische Overdrive der Debatten, die spätestens mit dem Bericht des Club of Rome 1972 über die Grenzen des Wachstums gerade jenes Symbol von Fortschritt und Individualität, von gesellschaftlicher Ausdifferenzierung und Freiheit, in den Fokus der Regulierung rückten.
Das Auto störte demnach: in vielerlei Hinsicht. Den wirklichen Todesstoß aber setzte der Doppelpass zwischen einer zentralistisch-autoritären Wirtschaftspolitik der EU und einer kulturellen Hegemonie ökosozialistischer Ideen und Gedanken in den vergangenen zehn Jahren.
Der
„Green Deal“ der EU ist ein Meilenstein bei der Deindustrialisierung des Kontinents. Er ist das Ergebnis einer vollkommenen Entrücktheit der EU-Kommission von den ökonomischen Realitäten des Kontinents. Er zertrümmert eine der letzten Wohlstandsressourcen Europas: Die Autoindustrie. Am meisten wrackt der „Green Deal“ die deutsche Volkswirtschaft ab. Es ist eine Selbstzerstörung der Extraklasse.
Unvergesslich war dem Autor dieser Zeilen eine
Talkshow vor fünf Jahren, bei der er zwischen dem damaligen CEO von
Volkswagen, Herbert Diess, und der damals noch vergleichsweise unbekannten Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer stand – und es wagte, die E-Mobilität aus einer Konsumentenperspektive heraus infrage zu stellen. Markus Lanz und die damalige Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) assistierten.
„Spiegel“, „SZ“ und „FAZ“ feierten nach der Talkshow die Aktivistin und den grün blickenden VW-CEO ebenso wie den engagierten Umwelt-Kollegen Lanz. Nur die kritischen Fragen zur E-Mobilität des Porsche-911-Fans wurden komplett zertrümmert. Insbesondere die Formulierung, dass
E-Autos bislang keine Seele hätten.
Was auch schon Neubauer in der Sendung moniert hatte: „Und wenn Sie jetzt erzählen wollen, das ginge nicht gut, weil man das Auto nicht emotionalisiert hätte oder weil die Seele fehlt, da muss ich sagen: Sorry, dafür haben wir wirklich keine Zeit mehr.“ Und auch Diess gab Entwarnung: „Die E-Autos werden super emotional, die machen Spaß und haben Seele.“
Alles falsch. Nichts davon ist eingetreten. Herbert Diess war ein eher opportunistischer und erfolgloser CEO von Volkswagen. Seine Rechnung ist nicht aufgegangen. Das Scheitern und die existenzielle Krise des VW-Konzerns hat er mitzuverantworten. Zusammen mit den innovations- und leistungsfeindlichen Gewerkschaften und der ignoranten niedersächsischen Landesregierung.
Aus Fridays for Future ist eine Lehrerzimmerveranstaltung mit angeschlossenem Anti-Israel-Reaktor geworden. Luisa Neubauer hingegen ist jetzt so etwas wie die ideale Ich-AG in der Aufmerksamkeitsökonomie. Sie hat erfolgreicher als andere an ihrer moralischen Autorität gebastelt und diese geschickt vermarktet.
E-Autos sind rund ein Drittel teurer als vergleichbare Verbrenner
Das E-Auto aber ist in den vergangenen fünf Jahren kaum breiter akzeptiert. Unser
E-Auto-Experte Nando Sommerfeldt sieht in den Preisen der Fahrzeuge den Hauptgrund für die anhaltende Ablehnung der Verbraucher. Sie sind immer noch viel zu hoch. Ein E-Fahrzeug kostet weiterhin rund ein Drittel mehr als ein vergleichbares Verbrenner-Modell.
Das Problem mit der Reichweiten-Angst dagegen wird seiner Meinung nach überschätzt. Er weiß das, weil er seit Jahren mit Elektrofahrzeugen Europa bereist: Die Ladeinfrastruktur auf der Fernstrecke hat sich in den vergangenen zwei Jahren drastisch verbessert. Die sogenannten
Schnell-Ladesäulen existieren inzwischen in hoher Zahl und in relativ geringen Abständen, so dass auch der lange so gefürchtete Stau an der Ladesäule kaum noch zu beobachten ist.
Das war es dann aber auch schon mit den Fortschritten. Ein bislang ungelöstes Problem ist, dass Elektromobilität vornehmlich ein Modell für Immobilienbesitzer ist. Wer als Mieter in der Stadt ein eigenes Elektrofahrzeug nutzen will, dem stehen nur wenig praktikable Ladeoptionen offen. Was bedeutet, dass gerade dort, wo das Elektroauto am meisten Sinn ergibt, also um urbanen Umfeld, es sich am schlechtesten nutzen lässt.
Eine ernüchternde Nachricht hat unser Experte auch für die Elektro-Pläne der heimischen Hersteller. Das
Klischee vom schlechten Elektroauto aus China ist in seinen Augen vor allem genau das. Ein Klischee: Wie unzählige Alltagstests von WELT in den vergangenen zwölf Monaten gezeigt haben, bauen die Chinesen mit Nio, BYD, XPeng und Co. inzwischen ähnlich gute Fahrzeuge wie die europäischen Hersteller. Insbesondere das Preis-Leistungs-Verhältnis ist häufig sogar besser, was sich im Zuge, der sich jetzt anbahnenden Strafzölle verändern dürfte.
Auf dem freien Markt kann sich die E-Mobilität aber trotz der China-Importe nicht durchsetzen. Die Industrie hat noch keine Antwort auf die Enttäuschung der Verbrenner-Feinschmecker gefunden. Und eben auch noch kein E-Auto entwickelt, das nur annähernd so viel Leidenschaft und Begeisterung auslöst, wie es der Verbrenner in den vergangenen 150 Jahren vermochte.
Dazu allerdings muss man die Wünsche, Träume und Leidenschaften der Konsumenten ernst nehmen – und nicht versuchen, sie umzuerziehen. All diejenigen, die Autos hassen, aber Auto fahren, sollten gerne möglichst schnell in die digitale öffentliche Nahverkehrswelt umsteigen.
Aber all die anderen Autofahrer müssen mit exzellenten, funktionalen, schönen, günstigen Angeboten überzeugt werden. Der Markt ist gerecht. Und demokratisch.
Und die Moralisierung der Mobilität ist komplett danebengegangen.