Kann man die Fluggastrechte überhaupt verlieren, wenn die Fluggesellschaft einen gar nicht auf die Rechte nach EU-Verordnung hingewiesen hat?
Ja, z.B. indem man sich vom Vertrag löst (tarifliches Recht zur Stornierung, oder gesetzliches Rücktrittsrecht oder ...)
Nein, selbstverständlich nicht, sonst bräuchte einfach jede Fluggesellschaft nicht darauf hinweisen.
Dein Schluss klappt logisch nicht. Die Frage war nicht, ob durch Unterlassen der Unterrichtung die Fluggastrechte nicht entstehen (hast du richtig beantwortet, sie entstehen natürlich dennoch), sondern ob sie auch untergehen können.
Wieso das? Du uebst doch nur Dein Wahlrecht aus Art. 8 aus. Die Rechte aus Art. 9 sollten davon nicht betroffen sein. Klar, der Anspruch auf anderweitige Befoerderung ist sehr verkuerzt dargestellt, und der auf Erstattung gar nicht. Alles nicht fein, boese Trickserei etc. und vielleicht auch justitiabel. Dass man sich durch einen Klick seiner Rechte aus Art. 9 begibt, sehe ich aber nicht. (Lasse mich aber gerne eines besseren belehren.)
Da es lediglich eine Flugvorverlegung von 1,5 Stunden ist, betrachte ich meinen Flug nicht als annulliert (ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten), aber selbst wenn, wäre fraglich, ob ein früherer Flug ein tauglicher Flug i.S.v. Art. 8 I b ist, aber selbst wenn das der Fall wäre, wäre es fraglich, ob ich durch das Klicken auf "AKZEPTIEREN" mein Wahlrecht ausübe, oder nicht doch einvernehmlich ("gezwungenermaßen", da sonst kein Checkin möglich, obwohl bestätigte Flugbuchung vorhanden) mit der Airline den Beförderungsvertrag anpasse:
Konsensuale UmbuchungenAuch im Bereich der Luftbeförderung bleibt es den Parteien unbenommen, freiwillig und einvernehmlich Umbuchungen vorzunehmen und den Transport auf einen anderen Zeitpunkt zu verlegen. Für den Passagier besteht aber keine Pflicht, sich darauf einzulassen.
(...gekürzt...)
Einseitige Umbuchung bzw. Verlegung von Flügen
Während der Corona-Krise mag es durch den Vertragspartner des Passagiers oder das ausführende Luftfahrtunternehmen zu einseitigen Umbuchungen durch Flugzusammenlegungen kommen. Dabei liegt die Zustimmung des Reisenden gerade nicht vor, sodass keine konsensuale Vertragsänderung besteht. Vielmehr kann ein solches Vorgehen nach Auffassung von Rechtsprechung und Literatur als (antizipierte) Beförderungsverweigerung i. S. d. Art. 4 Fluggastrechte-VO für den ursprünglich gebuchten Flug zu qualifizieren sein. Das gilt gleichermaßen bei einer einseitigen Vorverlegung von Flügen.
Quelle: Staudinger/Ruks, Rechtsfragen zu Pauschal- und Flugreisen in Zeiten der Corona-Krise, DAR 2020, S. 314 ff.
Die Ansprüche verfallen darüber hinaus mit Sicherheit bei solchen "Knebelverträgen" nicht.
Das ist eine solide Auffassung, aber kannst du sie auch begründen?
Bei einer Nichtbeförderung muss man nicht am Flughafen erscheinen, wenn klar ist, dass der ursprüngliche Flug nicht mehr existiert.
Wenn der ursprüngliche Flug nicht mehr existiert, liegt eine Annullierung vor, zu diesem Flug muss man nicht mehr erscheinen, soweit korrekt. Meiner existiert jedoch noch, wurde aber 1,5 Stunden vorverlegt, es ist höchst umstritten, ob dies eine Annullierung ist, ich tendiere insb. wegen der geringen Verlegung zu nein. Im Übrigen siehe meinen dritten Absatz in diesem Beitrag.
Darüber hinaus besrechtigt auch eine Alternativbeförderung dazu, Ausgleichszahlungen zu erhalten, da man natürlich Unannehmlichkeiten hatte.
Natürlich. Darauf hatte ich mich ja ursprünglich auch eingestellt:
Ursprünglicher Flug 17.07. 12:25 Uhr. (annuliert)
Ersatzbeförderung 18.07. 12:25 Uhr
Klar ist, dass trotz, ja gerade erst wegen der Ersatzbeförderung am folgenden Tag natürlich Hotel, Verpflegung, Transfers zu leisten sind. Jetzt wurde meine Ersatzbeförderung aber vorverlegt:
Ersatzbeförderung 18.07. 10:00 Uhr (Checkin nicht möglich)
Wenn ich mich jetzt aber der Airline durch Klick gegenüber erkläre, ich sei einverstanden, am 18.07.2020 um 10:00 Uhr befördert zu werden, sehe ich die Gefahr, dass mir dies als konsensuale Vertragsänderung ausgelegt wird, und zwar bezüglich meines ursprünglichen Vertrages, der auf den 17.07. geschlossen war.
Nichtbeförderung (im Sinne einer Beförderungsverweigerung) kann m.E. nur vorliegen, wenn der ursprüngliche Flug stattfindet. Ein vorher geplanter Flug, bei dem ursprüngliche Planung aufgegeben wird, ist dann eine Annullierung...
Ja, wie oben geschrieben, ist aber strittig, ob auch schon eine geringfügige Zeitenänderung zu einer Annullierung führt. Beispiel:
A) Fluggesellschaft verschiebt Flug um eine Stunde nach hinten -> Unter deiner Ansicht wäre dies eine Annullierung und löst den vollen Kanon an Ansprüchen aus der VO aus.
B) Fluggesellschaft verschiebt den Flug nicht, lässt die Passagiere pünktlich antanzen, boardet aber erst eine Stunde später -> Folgenlose Verspätung.
Zum Nachlesen:
Für deine Ansicht: AG Hannover, RRa 2011, 146
Differenzierend: BeckOK-FluggastVO/Hopperdietzel, 14. Ed. v. 1.4.2020, Art. 2 Rdnr. 38 ff.
Aber die Sache ist ja eigentlich klar, Rechte auf Ausgleichszahlungen bestehen!
Die Sache ist alles andere als klar.
Ich überlege weiterhin, wie ich mich am geschicktesten verhalte.
Ich tendiere derzeit dazu, mich per E-Mail oder unter Zeugen telefonisch zu melden (W6 zeichnet nach eigener Ansage eh alle Gespräche auf), mich über den unmöglichen Checkin zu beschweren, zu sagen, dass ich die Flugzeitenänderung (als mangelhafte Leistung) hinnehme, einer Vertragsänderung aber nicht zustimme. Mal sehen was passiert.