Ad 1), und auch das wurde hier (unter anderem von mir) schon mehrfach geschrieben: einen Vertrag kann man nur dann kündigen (bzw. davon zurücktreten), wenn ein Kündigungsrecht (bzw. Rücktrittsrecht) vertraglich oder gesetzlich eingeräumt ist bzw. gesetzliche Rechte nicht per AGB oder Individualabrede wirksam abbedungen sind. Letzteres ist hier genau die Frage (Abdingbarkeit von § 649 BGB?). Ansonsten muss der Besteller das Werk abnehmen (§ 634 BGB).
Ad 2): LH macht keinen Schadensersatzanspruch, sondern einen (per AGB vereinbarten, vermutlich aber unwirksamen) Erfüllungsanspruch geltend. Und selbst wenn es ein Schadensersatzanspruch wäre: nach § 249 BGB müsste LH so gestellt werden, als sei das schädigende Ereignis (hier also der Vertagsverstoß durch Buchung einer anderen Verbindung als derjenigen, die der Pax tatsächlich fliegen wollte) nicht eingetreten, und zwar, da vertraglicher Anspruch, auf das Vertragserfüllungsinteresse gerichtet. Dann aber hätte die LH den Flugpreis für das tatsächliche Routing bekommen (sog. Naturalrestitution), daher die Nachforderung.
Damit will ich nicht sagen, dass LH im Recht ist (das wird das Gericht zu entscheiden haben....), aber es ist halt einfach mal komplizierter als der Restaurant- oder Parkettlegervergleich...
Ich wollte ja eigentlich nichts mehr sagen, aber irgendwie ist es gruselig hier.
Ich weiß nicht, was in Deinem BGB unter § 634 BGB steht, bei mir steht da folgendes:
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 634 Rechte des Bestellers bei Mängeln
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__634.html
Von "Abnahme" steht was in § 640 BGB und Abnahme heißt nicht, dass irgendjemand fliegen muss, sondern dass irgendjemand verpflichtet ist, das Gewerk als im wesentlichen vertragsgemäß entgegen zu nehmen. So what? Das erkläre ich sofort und damit hat die LH ihren Vergütungsanspruch, den sie entgegen den Grundgedanken des Werkvertrages bereits im Voraus kassiert hat. Mehr als die Vergütung gibt es nach dem Werkvertrag nicht. Wo kommt der Anspruch her?
Dass manches im Werkvertragsrecht nicht so ganz genau passt, wie es denn so im Gesetze steht, liegt daran, dass der Gesetzgeber auf das Werkvertragsrecht nur über den Umweg über § 631 Abs. 2 BGB kommt und damit der Gesetzeswortlaut nicht so ganz auf den Flugbeförderungsvertrag passt. Gesetzliche Rechtsfolgenverweisung nennt man sowas. Dass der BGH in seiner Weisheit nicht immer auf genaue Sprache achtet, sei ihm verziehen. Der braucht es auch nicht mehr. Für die Richter da geht es nach dem BGH karrieremäßig nicht mehr weiter.
Und ja, Erfüllungsinteresse. Genau. Lufthansa hat den Anspruch so gestellt zu werden, als ob alle ordnungsgemäß erfüllt hätten. Drum kriegen sie ja auch ihr Geld. Aber nicht mehr. Ob ich noch Flüge oder Bahnfahrten oder Rollerfahrten mit anderen Anbietern mache, geht Frankfurt oder Köln gar nichts an. Du verwechselst Leistung und Gegenleistung. Ich bin als Kunde nur verpflichtet zu zahlen, nicht aber zu fliegen.
Wenn die LH ja wenigstens ein bisserl kreativ wäre, würde sie eine Unsinnsargumentation über § 642 BGB versuchen und argumentieren, der Kunde sei zur Mitwirkung verpflichtet:
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 642 Mitwirkung des Bestellers
(1) Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen.
(2) Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann.
Passt aber natürlich auch nicht, denn das Flugzeug fliegt auch ohne den einen Kunden. Und das Geld haben sie sowieso entgegen dem Sinngehalt des Werkvertrages als Vorleistung. Mehr als Kohle - und das mal ganz deutlich - ist vom Kunden nicht zu verlangen. Mehr sieht auch der Gesetz nicht vor. Die alleinige theoretische Mitwirkungspflicht des Kunden ist in § 642 BGB geregelt. Wenn die DLH jetzt fabulieren möchte, der Kunde hätte über den Wortlaut des Gesetzes hinaus gehende Pflichten, soll sie mir dafür erst mal die Anspruchsgrundlage nennen. Jeder der hier von sich gibt, der Kunde "müsse" fliegen, soll sich mit dem BGB und den Begriffen "Leistung" und "Gegenleistung" vertraut machen. Leisten muss die Lufthansa, das bedeutet, mich als Kunden fliegen. Gegenleisten muss ich als Kunde: Das bedeutet zahlen.
Wenn jemand mehr von mir will, soll der mir die Anspruchsgrundlage nennen. Und die nennt auch hier keiner. Der Vergütungsanspruch des Unternehmens ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag. Und wenn die DLH mit mir mehrere Verträge schließt "FRA-OSL-FRA" und OSL-FRA-NYC-FRA-OSL" dann hat sie mit mir mehrere Verträge geschlossen und jeder ist individuell zu betrachten. Wenn sie das nicht will, soll sie es sein lassen. Wenn sie es aber will, dann richtet sich alles nach dem Vertrag, nach dem BGH und erst wenn AGB (a) wirksam einbezogen sind und (b) nicht gegen das Gesetz verstoßen nach irgendwelchen AGB. Sicher regelt sich aber gar nichts nach irgendwelchen Phantastereien, die weder im Gesetz noch im Vertrag und noch in AGB drinne stehen und die sich irgendein Vertriebler wünscht.
Ich habe einige Jahr an einer deutschen Hochschule gelehrt, bevor ich mich entschied, dass das Leben als Anwalt besser sei. Aber mal ganz ehrlich: So ein Zeug wie hier, haben sich die oberschlauesten Burschenschafter im ersten Semester nicht zusammengereimt. Und die wussten immer alles. Und meistens besser als der Professor. Zumindest in ihrer Einbildung.