Ein freundliches Hallo in die Runde!
Eigentlich wollte ich diesen Post in dem A380er-Thread platzieren. Hier passt er thematisch aber aus meiner Sicht besser.
Erstaunlich finde ich die hier auf dieser Plattform geführte Diskussion um die mögliche Reduzierung der First-Class (nicht nur bei Lufthansa). Ich möchte ganz offen sprechen, auch auf die Gefahr hin, kräftigen Gegenwind zu kassieren. Für mich klingt das zumindest teilweise realitätsverweigernd. Warum sehe ich das so? Nun, die hier digital und in Textform manchmal mehr als wehmütig geführte Diskussion reiht sich nahtlos in die mir bekannten Diskussionen bei Arbeitgebern und deren (zumindest erstmal ehemaligen) F-/C-Anspruchsberechtigten ein. Von denen bekam man in der Vergangenheit immer zu hören, dass sie (klar, gerade sie und nicht die Firma, für die die Adressaten dieser Aussage selbst auch wertschöpfend tätig sind, damit diese Reisepolicy überhaupt finanziert werden kann) u.a. auch "die billigen Eco-Tickets" mitfinanzieren und man überhaupt froh sein könne, quasi als zweiter Rucksack durch die Airlines freundlicherweise ganz hinten mitbefördert werden zu dürfen. Privat (zumindest regelmäßig) F-Reisende kenne ich nicht, denn auch die Firmen-F-Klientel steigt als Selbstzahler bei Privatreisen gern ein Stockwerk tiefer ein. Dass jedenfalls dieser einfach Blick auf die Airline-Welt der Komplexität der Branche und Wirtschaftlichkeit dahinter nicht gerecht wird, wissen auch diese Leute. Und spätestens seit Corona, den damit kräftig zusammengestrichenen Flugplänen der Airlines, der Ausdünnung der Flotten und höchster Produktkategorien sowie der zukünftig stärkeren Fokussierung auf Touri-Strecken selbst bei sog. oder selbsternannten Premium-Carriern sieht man, dass es ohne die da ganz hinten dann doch nicht funktioniert.
Worauf will ich jetzt eigentlich hinaus? Nun, ich selbst habe vor Corona als in den letzten paar Jahren nach meinem Berufseinstieg regelmäßig zweimal im Jahr auf Langstrecke reisender Aviation- und Asienfan gemerkt, dass dieser Gigantismus (an Flotten, Airliner-Bestellungen (unter 100 Flugzeugen war es keine News mehr wert), Strecken, Mega- und groß gewordenen Sekundär-Hubs, Preiswettbewerb, Meilenmaximierung, Passagieren und kompletter Außerachtlassung der Natur u.a. für touristische Infrastrukturen, um das fliegende Klientel vor Ort zu bedienen) sich nicht von Dauer selbst erhalten kann und es irgendwann zu einem großen Knall kommt. Dass das mit Corona schon dieses Jahr und in diesem Ausmaß der Fall sein wird, klar, eine solche Entwicklung habe ich mir selbst in Gedanken nicht vorstellen können. Nun ist es aber so und ich sage mir, alles richtig gemacht. Viel gesehen, nicht arm geworden und trotz Folterflügen in einer 3-4-3 Triple7 Spaß am Fliegen und der Technik gehabt. Das solltet ihr als Premium-Cabin-Reisende umso mehr.
Aber zu welchem Preis? Ich hab mich immer gefragt, wo in einer einzelnen Reisekette überhaupt wer was verdienen kann, bei den niedrigen Preisen. Und seien wir ehrlich, die Umweltkosten wurden v.a. in der Luftfahrt in der Vergangenheit zu einem Großteil externalisiert und das selbst bei den hochpreisigen Klassen, die den oben beschriebenen Gigantismus auch finanziell mitermöglicht haben. Dass selbst ich, der seit seiner Kindheit der Faszination Luftfahrt, dem Reisen und Interesse an exotischern Ländern verfallen ist, sieht, dass es einen systemischen Wechsel (keine Angst, hier spricht nicht Die Linke oder ein Bündnis 90er) hin zu schlüssigeren nd umweltfreundlicheren Konzepten in der Luftfahrt braucht, beschreibt diesen derzeit auch mental stattfindenden Wandel. Die Pause beim Fliegen tut mir nicht weh. Wohl aber den Firmen und Mitarbeitern. Aber keine Bange, den Mitarbeitern in allen (zusammenhängenden) Bereichen der Luftfahrt drücke ich am stärksten die Daumen, da ich selbst in einer "Branche der Abwicklung" arbeite und die Zukunft große Herausforderungen bereithalten wird.
Ich will für mich nicht in Anspruch nehmen, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Kann auch sein, dass nach einer nötigen Marktbereinigung und dem Corona-Verdruss in der Welt die Party nochmal los geht. Aber hier einer Reiseklasse so beständig hinterherzutrauern, die auch ein Symbol für die Schampusparty auf Pump ist, finde ich - nehmt es mir nicht übel - unangemessen. Wie seht ihr das?