Fortsetzung 34
Die nächste Fortsetzung ging doch schneller als gedacht
Beim Abflug in New York hatte eine Concorde, wie der Kapitän in seiner Begrüßung verkündete,
Priority und durfte immer umgehend abfliegen, ohne sich hintenanzustellen zu müssen. Es gab einen blauen Himmel und klare Sicht. Wir starteten in Richtung Manhatten und ich bekam noch einen großartigen Blick auf die Skyline mit den Twintowers des World Trade Centers. Dann zogen wir zügig in einer engen Kurve nach links auf den Atlantik hinaus, die übliche Startroute aus Lärmschutzgründen. Später lernte ich, dass die Concorde immer Priority hatte, denn längeres Stehen in dem üblichen Line-up in JFK oder lange Warteschleifen vor der Landung hätten wegen der knappen Treibstoffreserven schnell einen Tankstopp erfordern können. Technisch gesehen war die Concorde eigentlich ja nur ein großer fliegender Tank mit etwas Kollateral-Last, der irgendwann leer war.
Es erfolgte der schnelle und steile Aufstieg auf die etwa 18 km Reiseflughöhe. Natürlich habe ich gebannt auf den Machmeter geguckt, um das Durchschreiten von Mach 1 und Mach 2 nicht zu verpassen. Das Durchstoßen des Schallkegels konnte man im Inneren nicht wahrnehmen. Das Schnellste was ich auf meinen fünf Flügen je in einer Concorde erreicht habe, waren Mach 2,2 (entsprechend 2.400 Kilometer pro Stunde). Für mehr als Mach 2,23 war die Concorde auch nicht zugelassen. Das Video aus Post #63, hier noch einmal nur mit dem entscheidende Ausschnitt eingestellt, zeigt wie es sich auf dem Boden angehört haben muss, wenn es Boom macht. (Die Aufnahme entstand offensichtlich auf dem Atlantik vor JFK).
BOOM oooooh
Eine Concorde startete mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit als herkömmliche Jets. Beim Start wurde das Reheat-System genutzt, die Nachbrenner wie bei Kampfjets, welches die Leistung der Triebwerke bis zu 17 Prozent steigern konnten. Steil ging es hinaus auf den Atlantik bis wir etwa 53.000 Feet erreicht hatten. Durch den verbrauchten Treibstoff und das damit sinkende Gewicht sollten wir bis zum Abstieg über der Irischen See kontinuierlich noch auf etwa 58.000 Feet steigen und immer noch einen kleinen Tick schneller werden. Weiter bin ich nie in den Weltraum gelangt.
Alles an Bord der Concorde war konsequent durchgestylt und designed. Auch Besteck, Servietten, Gläser usw. waren mit Concorde Emblemen versehen. Corporate Design at ist best. Es gab ein gutes und hochwertiges mehrgängiges Menü. Dazu wurden Champagner und edle Weine aus dem
Concorde Cellar gereicht, nicht etwa vom Trolley, sondern von den Ladies der Lüfte in einem Korb durch die Kabine getragen. Die Atmosphäre an Bord war warm, freundlich und respektvoll.
Ein Blick auf die Speise- und Weinkarte von 1995
Nun bin ich kein besonderer Weinkenner, aber ich war beeindruckt.
![Smile :) :)](data:image/gif;base64,R0lGODlhAQABAIAAAAAAAP///yH5BAEAAAAALAAAAAABAAEAAAIBRAA7)
Es dauerte etwas, bis ich begriff, dass British Airways nicht den ganzen Weinkeller mit sich herumflog, sondern immer nur eine Auswahl,
todays Selection
Bis zum islamischen Terroranschlag von Nine Eleven durfte man problemlos das Cockpit besuchen, wenn man danach fragte, was ich schon bei meinem ersten Flug getan habe. Nach der Einstiegstür auf der Linken, den Toiletten und der Galley kam man an den meterlangen Schalttafeln im Retrodesign und dem Flugingenieur vorbei. Wenn man dann weiter in dieser engen Röhre bis zur Nase hineinging gelang man zu den beiden Piloten. Ehrerbietende ältere Gentlemen an ihrem Arbeitsplatz.
Woher, wohin, how are you. Es gab eine kurze Zusammenfassung des Flugstatus.
Any questions? Für mich hatten die Concorde Piloten immer die Ausstrahlung und Würde von Kapitänen der Queen Elisabeth (die ich zugegebenermaßen gar nicht kenne). Es gab freundliche Begrüßungsworte und small talk. Ich war viel zu beeindruckt, um ein längeres Gespräch zu führen. In meiner Erinnerung muss ich höchst ehrfurchtsvoll, respektvoll und befangen gewesen sein.
Nach einigen Minuten saß ich wieder auf meinem Platz im hinteren Teil der Kabine und bedauerte, dass ich nur in Alltagskleidung unterwegs war und mich für dieses
once in a life time nicht würdevoll gestylt hatte.
Ähnlich wie auf einem Ozeandampfer machte der Kapitän immer eine Begrüßungsrunde durch die Maschine. Für jeden Pax gab es einige freundliche Worte, geprägt durch den vielfachen Gebrauch der Worte
Madame und
Sir. Um nicht von oben herab zu erscheinen hockten sie sich immer ein wenig hin und redeten mit uns Passagieren auf Augenhöhe. Die Jungs hatten wirklich Stil. Ich habe sie geliebt
Die ersten zwei Reihen galten immer für die Königsfamilie oder ganz besondere VIPs bestimmt. Im vorderen Abteil war es etwas leiser als hinten. Auf meinem ersten Flug war der britische Schauspieler Bob Hoskins an Bord. Besonders seinen Film Mona mit Lisa Sigourney Weaver als cooles Callgirl der Reichen und Schönen (von 1986) mag ich. Dazu ganz vorne ein mir unbekanntes entferntes Mitglied der Königsfamilie, das offenbar den Nickname Dutchess of Pork trug.
Wenn man im Überschallflug seine Hand auf die Wand des Flugzeugs legte, war es ziemlich warm, bedingt durch die enorme Reibungshitze die erzeugt wurde. Vor Abflug konnte man etwa gegenüber der Einstiegstür am Übergang zur Nase einen Spalt sehen, vielleicht etwa zwei bis Finger breit. Dort konnte ich Teile meiner Hand hineinstecken (schlank und schmal, keine Wurstfinger). Im Reiseflug hatte sich dann der Spalt durch die Materialausdehnung durch die erzeugte Wärme geschlossen. Nachlesen kann man, das sich die Concorde hitzebedingt im Reiseflug um etwa 14 cm !!! verlängert hat.
Mein erster Concorde Flug hat mich rauschartig begeistert. In meiner Erinnerung muss ich völlig high gewesen sein,
fly me high.
![Big grin :D :D](data:image/gif;base64,R0lGODlhAQABAIAAAAAAAP///yH5BAEAAAAALAAAAAABAAEAAAIBRAA7)
Doch es waren es nicht der Luxus, nicht die Umgebung der Reichen und Schönen, nicht die freundliche Crew an Bord, nicht das Essen und die Geschenke, nicht die ganz besondere Stimmung, die diesen Flug so besonders machten. Es passierte auf der gefühlsmäßigen Ebene etwas mit mir, es war das Gefühl, etwas ganz außergewöhnliches und völlig unglaubliches zu tun zu tun, schneller als eine Gewehrkugel unterwegs zu sein, der begeisternde Blick aus der niedrigen Stratosphäre auf die wunderschöne Erdkugel und ihre Krümmung, das dunkle Schwarz des Weltraums über mir. Die Farben und die Perspektive. Ich war wie verzaubert, Mind-blowing und bewusstseinserweiternd. Versuche ich meine Eindrücke zu erklären, wurde ich vielleicht da oben für drei Stunden wieder zu einem sechzehnjährigen Jungen, der von Raumfahrt träumte, davon dass das Leben, die Menschheit und ich etwas ganz tolles seien, wir den Weltraum erobern würden, dass wir eine friedliche und tolle Zukunft voller Entdeckungen und Abenteuer vor uns hätten. Dass das Gute unsterblich über das Böse siegen würde. Tatsächlich war ich ein erwachsener Mann, 44 Jahre alt.
Irgendwann jedoch war ich wieder sterblich, wieder auf der Erde und stand in einer dunklen und kalten Novembernacht einsam an einer Bushaltestelle am Arrival in Heathrow und warte fröstelnd auf den letzten Shuttle Bus, der mich in das gebuchte Marriott Hotel am Airport bringen würde. Da ich mit der Mittagsmaschine BA 004 geflogen war, gab es keine Anschlussmöglichkeit nach Hamburg mehr.
Fortsetzung folgt