Dann werde ich meine Ankündigung jetzt auch einmal mit Leben füllen, gleichwohl ich es hinsichtlich des "mitnehmenden" Schreibstils gar nicht erst mit "Concordeuser" aufnehmen möchte. So kann nur jemand Schreiben, der die "Faszination Concorde" wirklich gelebt hat. Für mich war es einmalige Gelegenheit.
Vorab sollte ich meine Affinität zur Fliegerei erklären: Ich bin als Kind Deutscher Eltern im Ausland (zwar EU, aber sehr entlegen) aufgewachsen, daher hatte ich schon im frühesten Alter mindestens meine 15-20 Flüge/Jahr, fast immer über LHR, erst zu den Grosseltern, später umgekehrt in die Ferienwohnung. Natürlich hatte ich früh meine eigene Papierflugzeugairline, die später den Schüco-Modellen und Lego-Terminals weichen musste, diese wiederum dem Modellflugzeugbau (1:72) und schliesslich den ferngelenkten Modellen. Rückblickend stand aber damals schon der komplexe Betrieb von Airlines und Flughäfen eher im Vordergrund, der Berufswunsch "Pilot" bestand nie.
Pubertät und Studienzeit haben das Thema dann vorübergehend verdrängt, aber mit dem Berufsleben kamen dann viele notwendige und weniger notwendige Geschäftsreisen (wobei deren Faszination auf Grund meines damaligen Singlelebens auf dem Land eher von Städten wie New York, London, Paris, Hong Kong oder Tokyo ausging), die deutlich angenehmer wurden durch Business auf der Langstrecke und den entsprechenden Status bei allen drei Allianzen. Der "Fliegerei"-Bazillus brach aber erst völlig aus, als ich - mittlerweile Grossstädter - am frühen Morgen auf der gemeinsamen Suche nach den verbliebenen Frauen einen sehr guten Freund gewonnen habe, der Langstreckenpilot bei einer aussereuropäischen Airline war. Ab sofort wurde A.net meine Pflichtlektüre, meine Umsteigeverbindungen wurden abenteuerlicher, um beim wöchentlichen Thekengespräch fachsimpeln zu können ("Ich hab Feierabend, nicht wieder "Fliegerei", hat er nie durchgehalten). Aber auch hier galt mein Interesse eher dem Betrieb von Airlines und den Vielfliegerprogrammen eher als der Fliegerei.
Die Concorde wird wohl eine gewisse Faszination auf jeden Fluginteressierten ausgeübt haben, aber für mich war ein solcher Flug unerschwinglich (ich kann zwar frei wählen, habe aber ein eigenes Interesse an Kostenminimierung) und zu dem Zeitpunkt verdiente zwar zumindest BA erstmals richtig Geld an der Concorde, aber es war absehbar, dass diese Art des Fliegens mit der Concorde und bald(!) enden würde. Zu diesem Zeitpunkt sah es wenigstens noch so aus, als würde schnelles Fliegen durch grössere Einheiten (A380 war noch in der Pipeline) und höhere Reichweite (A345 und B77L) abgelöst. Mittelfristig wird wohl auch das nicht mehr passieren.
Natürlich haben mein Pilotenfreund und ich AF4590 und die Folgen an mehreren Abenden genauestens, aber mit entsprechender Distanz nüchtern analysiert, aber hierzu hatte ich noch eine grosse Entfernung.
Der 11. September 2001 veränderte dann für ihn (als Piloten) und für mich (als interessierten Fluggast) vieles! Von Sicherheitskontrollen, Verbindungsstreichungen und neuen Cockpitverbot für Gäste ganz abgesehen: ich bin am 10. September, allerdings von Chicago (der Kurztrip nach New York Anfang September ist für mich jährliches Programm und ich war 2001 nur in Chicago, weil meine Deutsche Exfreundin kurz beruflich dort war - gelungene Überraschung und gescheiterte Re-Union) aus zurückgeflogen und habe beim Umsteigen in FRA in der Lounge alles live verfolgt. Einige Wochen später hatte ich dann meine letzten Flüge mit Swissair. Fliegen sollte nie wieder so sein wie vorher!
Zu diesem Zeitpunkt flog ich schon auf den Business-Langstrecken bevorzugt BA (B744 Upper Deck, dazu das Fauchen der RRs), trotz negativer Kindheitserinnerungen an BEA und einer Vorliebe für LH und EI.
Für Anfang September 2002 stand dann erstmals wieder NYC an und BA versuchte wohl eher verzweifelt die überarbeitete Concorde (neue Kabine, Kevlarverkleidung der Tanks, Cockpittüre) wieder zu füllen. Als damaliger Single hatte ich absolut keine Verwendung für Bonusmeilen (Geschäftsflüge waren für den Status da und wer viel unterwegs ist braucht keine Privatflüge). BA bot den Oneway mit der Concorde zu 60.000 Meilen an. Plötzlich wurde die Concorde für mich interessant, da greifbar. Natürlich hatten wir uns an unseren Fliegerei-Abenden auch über die neuerlichen, von der Presse nun breitgetretenen Probleme mit der Concorde beschäftigt, aber halt nüchtern analysierend aus gewisser Distanz und so schien dies Muster gerade nach der Beobachtung durch die Medien nicht gefährlicher oder exotischer als andere Muster. Schnell hatte ich die Verfügbarkeit der Concorde-Prämienflüge einersteits und eines günstigen Business-Oneways in Gegenrichtung andererseits innerhalb meiner terminlichen Zwänge geprüft:
Hinwärts SAS ex DUS über CPH (die Toilettenfenster in der A340 waren mir zuvor gar nicht so bewusst geworden) und zurück am 5.9. mit der BA Concorde. Wobei ich SAS bis dato nur von der Langstreckeneco kannte und der Service in Business in 2002 eine positive Überraschung war.
Bis zu meinem Rückflug keinerlei Puls bei mir. Es war einfach eine rationale Entscheidung zu einem Flug in einer schnelleren, vom Aussterben bedrohten Maschine. Letzte Gelegenheit halt, während die Airlines um mich seit einem Jahr zerfielen.
Taxi zum BA-Terminal in JFK (rückblickend scheine ich zuvor nie von JFK mit BA abgeflogen zu sein).
Wow! Eigenes Terminal! Eigener Terminalteil zum Check-In für die Concorde! Nach dem zu diesem Zeitpunkt noch sehr depressiven New York (und strenger Einreisekontrolle) eine sehr freundliche und effiziente Sicherheitskontrolle mit direktem Zugang zum Concorde Room. Da ich nicht wusste und es mich auch nicht genug interessiert hatte vorher nachzusehen, was mich an Bord der engen Röhre an Service zu erwarten hatte, nutzte ich das Angebot zum ausgiebigen Frühstück mit Service in der Lounge. Bis dahin war alles normal.
Dann ging die Sonne auf über JFK und - wie theatralisch inszeniert - die Vorhänge in der Lounge wurden geöffnet: unmittelbar vor dem Fenster stand die Concorde (die ich zuvor in LHR aus grösserer Entfernung hunderte Male gesehen hatte) und ab sofort befand ich mich in einer Art Trance (das Champagnerfrühstück mag seinen Anteil daran gehabt haben)! Ich weiss nicht einmal mehr, ob am Gate die Nase heruntergelassen war, gehe aber davon aus.
Wie ich erst jetzt, nach "Concordeuser"'s Bericht festgestellt habe, müsste es G-BOAD gewesen sein, mit der unter halber SQ-Lackierung auch schon mein Vater von, nach oder über Bahrain geflogen sein muss.
An das Boarding (oder die Garderobe) habe ich nun keine besondere Erinnerung. Eindeutig ein Narrowbody, aber aus meinem damaligen Verständnis nicht eng. Rückblickend war die Decke in der Tat recht niedrig. Es roch sehr intensiv nach Leder, wie oft bei BA, aber es war eindeutig sauberer als in den BA-Narrowbodies. Die Sitze waren hinsichtlich Beinfreiheit und Breite völlig ausreichend (ähnlich Business bei OS in der Fokker), aber alles war ja auch gerade frisch renoviert. Die weibliche Cabincrew war, wie von "Concordeuser" geschildert älter, aber charmant und sehr erfahren. Nach meiner Erinnerung waren die Kopfhörer antiquiert, ob mit grossem Klinkenstecker oder sogar das Modell mit eigentlicher Schall-/Luftübertragung weiss ich nicht mehr.
Der Taxiway zur Piste verlief für JFK-Verhältnisse recht zügig, aber ich hatte - im Gegensatz zum Bericht von "Concordeuser" jetzt nicht den Eindruck, dass wir vor andere vorgezogen worden wären und gar nicht Schlange gestanden hätten. Leider, denn das gab mir Zeit an die zuvor nüchtern analysierten, jüngsten Zwischenfälle mit der Concorde zu denken. Ich sass auf einem riesigen Tank, seit 3 Jahrzehnten durchgerüttelt, nach viel anachronistischeren Ansprüchen gebaut, der nicht einmal richtig segeln kann. Was, wenn ein Tank leckt, was, wenn das Leitwerk sich auflöst, was wenn ein Triebwerk ausfällt, was, wenn die Hitzeverformung ein mal zu häufig passiert? Ich weiss nur noch, dass direkt hinter uns ein LH MD-11 Frachter zum Start rollte (Kennzeichen weiss ich nicht mehr).
Start mit Nachbrennern parallel zum Wasser. Und dennoch fühlte ich mich nicht mehr in den Sitz gepresst als sonst, dennoch dauerte es ewig bis zum Abheben und ging dann auch nicht mit Vehemenz in die Höhe.
Das Mach-Meter brauchte gefühlt dann auch ewig, bis es über 2 ging. Der Bordservice ist mir nicht in besonderer Erinnerung, nur dass man zur Kommunikation mit der Bordcrew die Stimme erheben musste (und ich habe aus Kommunikationsgründen den Kopfhörer immer nur auf der Fensterseite auf dem Ohr). Was ich nicht erwartet hatte und was auch "Concordeuser" nicht erwähnt hat: den mangelnden "Federungskomfort": man flog in der Concorde so, wie man mit einem extrem tiefergelegten Auto über Betonpisten fährt: die Triebwerksvibrationen und jedes Luftloch kamen völlig ungefiltert bis zum Popometer! Knochenhart! Bei anderen Maschinentypen federn dies wohl langsamere Geschwindigkeit und elastischere Tragflächen mehr ab, aber die Concorde reitet, getrieben von den enormen Triebwerken mit Nachbrenner eher über die Luftmassen, als dass sie in ihnen hängt.
Die Maschine war bei weitem nicht voll, von "Concordeuer"'s Publikum, von dem auch anderswo berichtet wurde (High Society, die zwischen London und New York pendelt) keine Spur. Um die Faszination dessen zu verstehen hätte man wohl gestern "Ich war eine Jetset-Stewardess" auf ZDF-Info sehen müssen. Natürlich kann ich "Concordeuser"'s Argumentation folgen, dass er sich mit jedem freute, der sich hier mit Erspartem einen Traum erfüllen wollte. Aber bei mir schienen nur Gäste an Bord zu sein, die als BAEC Gold den Flug für wenig Meilen bekommen hatten: es gab eine Mappe mit Concorde Briefpapier und einem Concorde-Kuli für alle (wahrscheinlich habe ich die noch irgendwo) und eine Urkunde über die Teilnahme am Concorde-Flug, die man sich beim (von "Concordeuser" vom letzten Flug geschilderten) Pilotenrundgang signieren lassen konnte. Mir ging das zu sehr in Richtung Butterfahrt und ich habe mir keine unterschriebene Urkunde besorgt, heute reut's mich.
Trotz der kleinen Fenster fand ich die Aussicht ganz normal und habe ob des Krach's dann erst einmal geschlafen.
Es hat keine 3h gedauert, bis der Landeanflug eingeleitet wurde (da mussten wir dann tatsächlich nicht über LHR kreisen).
Der Umstieg von T4 nach T1 verlief dann normal umständlich und ich habe keine spezielle Betreuung auf Grund des vorherigen Concorde-Fluges bemerkt.
Mein Anschluss mit B737 mit Busgate nach CGN war dann fast 1h verspätet, wodurch ich deutlich über 3h in LHR war. Bei Landung in CGN hatte ich dann das "Hase und Igel"-Erlebnis: der MD11 Frachter aus JFK war schon da! Aber ich war am 5.9. in New York aufgestanden und konnte in Köln am Abend meine Dinner-Verabredung einhalten. Auch nicht schlecht!
Das ganze hatte ich unter "einmaliges Erlebnis" verbucht, bis "Concordeuser" uns mit seinem Bericht seine Concorde-Flüge durchleben liess!
Danke!
Erst jetzt, seit Jahren glücklich verheiratet, nach Büro, Abendessen und neben dem Eifelkrimi, wird mir bewusst, an welchem Flug mit Flughistorischer Tragweite ich seinerzeit das Vergnügen hatte teilzunehmen, trotz "Butterfahrt"!
Aber spätestens bei diesem, trotz aggressiver Vermarktung nur halbvollen Flug wurde auch unausweichlich klar, dass dieser einer der letzten seiner Ära sein würde.
Ich werde auch in diesem Jahr Anfang September in den USA sein. Der Rückflug wird wieder anachronistische 6-7h dauern. Aber ein "Zurück in die Zukunft" wird es erst geben, wenn die Technik sich grundlegend ändert weg von Verbrennungsmotoren und in ganz andere Flughöhen. Die Lebensdauer der Concorde und die wohl gescheiterten Versuche mit Virgin Galactic machen deutlich, dass dies wohl nicht mehr in meiner Lebenszeit der Fall sein wird. Aber der Flug mit BA002 bleibt mir - und das ungenutzte Briefpapier.