Das Faszinierende an Foren und auch an der realen Welt ist, dass unheimlich viele Leute ständig Maßstäbe anlegen, aber komischerweise nicht nur an sich selbst, sondern an andere, ihnen fremde Leute. So sollen Lounges und Kabinen kinderlos sein, Meilenflieger sollen raus, Businesskasper sollen raus, Leute in T-Shirts sollen raus, Handy-Telefonierer sollen raus, Pauschalurlauber sollen raus, Flip-Flops gehen schon mal gar nicht, und wehe, die Limo ist kein Daimler oder Porsche!
Hohe Maßstäbe und Standards sind eine ganz tolle Sache – wenn man sie an sich selbst anlegt und ihnen gerecht wird. Ich respektiere Menschen, denen das gelingt, die diszipliniert und mit einer gewissen Haltung durchs Leben gehen. Manchmal handelt es sich dabei sogar um Vorbilder, hohe Standards sind ja hin und wieder durchaus tugendhaft.
Ins Gegenteil pervertiert wird die scheinbare Tugendhaftigkeit allerdings dann, wenn man die eigenen Standards und seinen persönlichen Weg auch allen anderen vorschreiben und aufzwingen möchte – und/oder alle, die einen anderen Weg gehen oder diesen Standards nicht gerecht werden, als minderwertig disqualifiziert, als deplatziert, als Sahnehäubchen schließlich verbunden mit der Forderung, solche Leute am besten nicht mehr "zuzulassen". Weg damit, es lebe die Uniformität!
So kommt es dann, dass Vollzahler (auch die, denen die Firma jedes Ticket zahlt) fordern, keine Meilenflieger nicht mehr zuzulassen (und wenn, dann nur für HONs – außer natürlich, man ist selbst kein HON [mehr]); dass Singles keine Kinder mehr vorne erlauben wollen; dass rorschi sämtliche Handys vom Angesicht des Planeten verbannen möchte
; und dass T-Shirt-Träger automatisch stillose Personen sind, die man mit Hilfe eines Dresscodes aus der First fernhalten sollte.
Solche Denk- und Verhaltensweisen sind, wenn erst gemeint, jedoch nicht nur Ausdruck kleinbürglicher Engstirnigkeit, sie sind auch zutiefst egoistisch, intolerant und nicht zuletzt auch scheinheilig: "An meinem Wesen soll die Welt genesen – wenn nur alle genau so wären wie ich!" Ich kann den Fechtern solcher Grabenkämpfe eigentlich nur raten, einmal ihre eigenen Standards im Hinblick auf Toleranz, Weltoffenheit und Vielfalt überprüfen. Sind sie wirklich hoch genug? Oder hat man es sich längst im eigenen Nest bequem gemacht, wandelt nur noch auf seinem eigenen ausgetretenen Pfad – und begegnet allen mit Skepsis, Missachtung und Überheblichkeit, die andere Wege gehen oder gar andere Richtungen einschlagen?
Und welchem moralischen Standard entspricht eigentlich die Neugier, die Bordkarten von Mitreisenden zu lesen, Passagierlisten zu analysieren, andere Lounge-Gäste zu beobachten und den Inhalt ihrer Laptopbildschirme auszuspähen. Ist das "Leben der anderen" wirklich so viel interessanter als das eigene? Dann stimmt vielleicht etwas am eigenen Leben nicht. Oder woher kommt dieser Drang, sich ständig mit anderen zu vergleichen – natürlich stets mit der Tendenz, dass die anderen bei den resultierenden Beschreibungen schlecht wegkommen. "Guck mal, sind die doof! Ach Gott, wie peinlich! Also echt, dass so einer überhaupt reingelassen/mitgenommen wird! Früher hätte es sowas nicht gegeben!" etc.
Nein, natürlich will ich niemandem Schadenfreude oder den Spaß nehmen, wenn wirklich abstruse Dinge passieren und man diese der Welt mitteilen möchte, damit sie daran teilhaben kann. Aber diese humorvollen Fälle sind auch hier im Forum oft die Ausnahme, stattdessen wird über andere gemeckert, geklagt und geschimpft – nur weil sie angeblich anders sind oder sich anders verhalten als man es selber gerne hätte. Das geht, wie wir gesehen haben, bis hin zur Androhung von körperlicher Gewalt gegenüber Mitreisenden, die es wagen, ihre Rückenlehne während des Reiseflugs zurückzustellen. Und wehe, einer drängelt sich am Abfertigungsschalter vor (oder wird von einem Airline-Mitarbeiter vorne eingefädelt). Für manche sind solche Lappalien offensichtlich echte Kriegserklärungen, sonst würden sie kaum versuchen, die virtuellen Truppen hinter sich in Foren zu versammeln.